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Das unheimliche Medium

Das unheimliche Medium

Titel: Das unheimliche Medium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ihr auf die Schulter. »Wir müssen jetzt gehen, sonst kommen wir zu spät.«
    »Ja, Greg, ja. Hetz mich nicht.«
    »Ich habe dich nur erinnert.«
    »Viel Spaß!« wünschte ihnen Nora.
    »Danke, Kind.«
    Die beiden verschwanden. Greg winkte seiner Nichte noch einmal zu.
    Dann schloß er die Tür.
    Nora war allein. Sie wartete so lange, bis sie den Motor des Wagens hörte, dann erst atmete sie auf. Geschafft. Die beiden waren weg. Sie mußte auch mal allein sein. Es war eben furchtbar, immer unter Erwachsenen zu sein. Sie war ihnen ja dankbar, daß sie sie aufgenommen hatten, aber manchmal war ihre Fürsorge auch zu stark.
    Die beiden – zumindest Tante Dinah – übertrieben oft. Sie konnte nicht begreifen, daß ihre Nichte auch älter wurde. Nora stand auf.
    Das Zimmer sah nicht so aus, wie man sich ein Mädchenzimmer vorstellte. Es war technisch gut eingerichtet. Ein Computer mit allem, was dazugehörte, zählte ebenso dazu wie ein CD-Player, ein TV-Apparat, das dazu passende Video-Gerät und die Stereoanlage. Einige Puppen hockten noch auf einem Weichholzregal. Sie erinnerten Nora an ihre frühe Kindheit. Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr hatte sie in Leeds gelebt, dann waren ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen.
    Es war ein Unglück gewesen. Ein Hubschrauber war abgestürzt. Nicht in England, sondern in den USA. Es hatte keine Überlebenden gegeben, und Nora, die ihre Eltern sehr geliebt hatte, hatte einen schweren Schock davongetragen. Sie war wochenlang nicht ansprechbar gewesen. In dieser Zeit hatten sich Onkel und Tante sehr um sie gekümmert und sie schließlich auch in ihr großes Haus aufgenommen, denn sie selbst waren kinderlos geblieben.
    Die beiden meinten es wirklich gut, aber manchmal schon zu gut. Nora lächelte, als sie an sie dachte, aber sie lächelte nicht nur aus diesem Grund. Es gab noch einen anderen. Sie war allein, endlich war sie allein.
    Und endlich würde ihre große Stunde kommen, das stand für sie fest.
    Sie erhob sich.
    Mit zielsicheren Schritten ging sie zum Kleiderschrank, denn sie wollte sich umziehen. Raus aus dem Kleid mit den weißen Rüschen. So schön es auch war, sie mochte es nicht und hatte es nur ihrer Tante zu Gefallen angezogen. Da waren die Jeans und das pflaumenblaue Sweatshirt schon bequemer.
    Sie zog sich um und konnte sich dabei im Spiegel an der Innenseite der Schranktür betrachten. Für ihre zwölf Jahre war sie ziemlich groß. Sie hatte die rotblonden Haare lang wachsen lassen und überlegte immer wieder, ob sie sich schminken sollte, um die natürliche Blässe aus ihrem Gesicht zu vertreiben. Wenn sie Schminke nahm, regte sich ihre Tante auf, so machte sie es heimlich. Sie mochte den blassen Teint nicht und auch nicht die vielen Sommersprossen auf ihrem Gesicht. Das war ihr alles zuwider. Sie fand sich nicht schön, und das war schlimm. Auch die Blässe der Pupillen gefiel ihr nicht. Da sahen die Augen aus, als wären sie aus dünnem Glas, das jeden Augenblick platzen konnte. Die Brauen waren ebenfalls zu hell, ebenso die Lippen. Die Nase war etwas knochig, die Wangen zu dünn. Nora war mit sich selbst sehr unzufrieden. Sie wünschte sich ein anderes Gesicht. Sie wollte aussehen wie ihre Freundin Paula. Die hatte wunderschönes, dunkles Haar und braune Augen. Ihr schauten die Jungen hinterher, aber Nora warf kaum jemand einen Blick zu.
    Das ärgerte sie.
    Als sie einmal mit ihrem Onkel darüber gesprochen hatte, da hatte der gemeint, daß sie für ihn das schönste Mädchen der Welt sei. Und das andere würde sich mit der Zeit schon geben.
    Sie hatte sich damit zufriedengegeben, äußerlich nur, aber im Innern kochte es weiter.
    Nora schloß die Tür. Ihr Spiegelbild verschwand, als hätte man es ausgewischt. Sie lächelte, doch dieses Lächeln war hintergründig, wissend und geheimnisvoll. Was interessierte sie noch ihr Aussehen, wo doch jetzt ihr Abend und ihre Nacht angebrochen war? Endlich konnte sie beweisen, daß es die anderen gab. Niemand glaubte ihr, nicht einmal ihr Onkel. Er hatte sie nur mitleidig angeschaut, als sie mit ihm darüber gesprochen und von mächtigen Energien erzählt hatte, die sich in der Luft befanden, die stärker als der normale Strom waren und die sich auf sie, Nora, konzentriert hatten.
    Er glaubte ihr nicht.
    Niemand glaubte ihr.
    Es war ein Fehler, sie wußte es, und sie würde noch heute den Beweis führen.
    Sie räusperte sich, weil plötzlich ein Kloß in ihrer Kehle steckte. Eine sehr starke Spannung hielt sie

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