Das unheimliche Medium
wurde zu einem ›Zapper‹. Dank ihrer geistigen Kräfte schaffte sie dies ohne Mühe. Die einzelnen Programme erschienen in einem rasenden Wechsel, so daß sie eigentlich nicht erkennen konnte, was sich dort abspielte.
Dann hörte sie auf.
Der Bildschirm blieb grau. Selbst das Knistern war verschwunden. Diese Spielerei war für sie nur ein Auftakt gewesen. Sie wollte feststellen, ob sie noch gut in Form war, und, verdammt noch mal, sie war es. Ja, sie war mit sich selbst zufrieden.
Nora drehte sich um. Sie spreizte die Arme dabei vom Körper. Sehr genau spürte sie, wie ihre Adern von etwas durchflössen wurden, was den Namen Blut nicht verdiente. Es war ein Kribbeln, ein Strom, und für sie war es die Botschaft der anderen.
Sie lächelte.
Nora fühlte sich gut. Sie mußte gut sein, wenn sie in dieser Nacht ihre Zeichen setzen wollte.
Im Haus hatte sie nur geübt. Draußen aber, auf der Straße, würde sie ihre vollen Kräfte entfalten. Sie ging mit langsamen Schritten zur Tür und blieb neben ihr stehen, denn dort, ziemlich tief unten, war eine Steckdose in die Wand eingelassen worden.
Nora bückte sich. Als sie die entsprechende Höhe erreicht hatte, streckte sie den rechten Arm aus und bohrte ihre Finger in die Löcher der Dose.
Kaum hatte sie den Kontakt mit der Steckdose hergestellt, da merkte sie den Druck an ihren Fingerspitzen. Er war auf einmal da, und er beschränkte sich nicht nur auf das leichte Zitfern, sondern breitete sich aus und raste wie Strom durch den Körper der Zwölfjährigen. Das blieb nicht ohne Folgen.
Plötzlich leuchtete sie auf. Von innen her begann sie zu strahlen.
Gleichzeitig stellte sich die blonde Haarflut auf, und Nora sah aus wie ein weiblicher Struwwelpeter, umtanzt von Funken und knisternder Elektrizität. Die anderen waren bei ihr. Sie sorgten dafür, daß sie noch stärker wurde. Nora sah äußerlich aus wie immer, nichts hatte sich an ihrem Körper verändert, aber im Innern spürte sie jetzt eine Kraft, die ungeheuer war. Sie zog die Finger wieder zurück, und sofort verlöschte die Helligkeit an und in ihr.
Nora wurde wieder normal!
Tief atmete sie aus. Sie fühlte sich so wohl, so gut. Sie war einfach super. Dann ging sie.
Als sie die Haustür öffnete, fühlte sie sich stark genug, um den anderen Kräften zu zeigen, wie dankbar sie ihnen war…
***
An der rechten Seite des Hauses blieb Nora stehen. Nicht weil es dort besonders schön gewesen wäre, nein, sie hatte einen anderen Grund, denn über ihr war die Schüssel angebracht worden. Sie stand in einem schrägen Winkel zur Hauswand. Wer sie von der Seite her anschaute, den erinnerte sie an einen gekippten Halbmond, der sehr schmal war.
Nora lächelte.
Die Schüssel war wichtig. Mit ihr hatte es angefangen. Sie war der Vermittler zu den anderen, denn erst als sie angebracht worden war, hatte Nora den Kontakt geschafft. Schon immer hatte sie gewußt, daß sie etwas Besonderes war. Sie fühlte anders als die übrigen Freundinnen, sie hatte sogar von anderen Welten gesprochen und von Geisterreichen, aber man hatte sie ausgelacht. Nicht mehr.
Nora ging so weit vor, bis sie einen günstigen Platz erreichte. Dort drehte sie sich um und schaute direkt gegen die Schüssel. Sie war an der Innenseite mit einer graubeigen Farbe angestrichen worden, und als das Mädchen seinen Blick direkt auf das Gerät richtete, da tanzten auf der Fläche Funken.
Sie lächelte.
Ungefähr eine Minute blieb sie stehen. Sie horchte in sich hinein und glaubte, Stimmen zu hören. Wispernde und flüsternde Stimmen, die sich zu einem Zischeln vereinigten.
Das waren die anderen, die Geister, die sie jetzt beschützten. Mit ihnen hatte sie den Kontakt aufnehmen wollen, und sie war auch nicht enttäuscht worden.
Nora fand, daß sie jetzt über ausreichende Kraft verfügte, und sie verließ das Grundstück.
Zwar gehörte Weldon zu den Orten, die nach Einbruch der Dunkelheit wie ausgestorben wirkten, doch darauf wollte sie es nicht ankommen lassen. Es gab immer wieder Jugendliche, die sich auf der Straße aufhielten und dort die Zeit totschlugen.
Ihnen wollte sie nicht begegnen, deshalb kletterte sie auch über einen schmalen Zaun und erreichte sehr bald einen Weg, der zwei Obstgärten teilte.
Die Pflaumenbäume trugen noch Früchte, ebenso die Apfelbäume. Die anderen Bäume waren abgeerntet worden. Der Weg mündete in eine Straße. Sie führte an der Apotheke vorbei. Hinter dem Schaufenster sah sie den Besitzer. Er stand an der
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