Das unsagbar Gute
war natürlich euphorisch zuerst. Eben, weil gar kein Widerstand kam von wegen: Ich hab das Geld nicht oder Das dauert aber seine Zeit, bis ich das Geld hab und so weiter, das kennt man doch …«
»Ja, aus Filmen! Das darfst du nicht vergessen. Wie Leute sich bei Erpressung verhalten, wissen wir nur aus dem Fernsehen. In Wirklichkeit ist das alles anders, könnt ich mir vorstellen.«
»Vielleicht hast du recht. Vielleicht sind reale Leute viel kooperativer. Ich weiß halt nicht … weißt du, er war nicht einmal verärgert oder so, was von ihm kam, war so eine Art – Gelassenheit, ja, genau. Als ob ihm alles wurscht wäre.«
»Der Manfredo ist doch weg, oder?«
»Definitiv. Hat er auch zugegeben.«
»Könnte doch sein, dass es ihm wirklich wurscht ist mit dem Geld …«
»Wieso?«
»Weil’s nicht seins ist. Sondern das von Manfredo.«
»Das würde aber heißen …«
»… dass der Nowak nicht der Chef bei der Sache ist, jedenfallsnicht der Geldgeber. Sonst würde er das nicht so cool wegstecken.«
»Zweihunderttausend immerhin …«
»Ja, zweihunderttausend. Je länger ich drüber nachdenke … du schilderst das so, als ob das für die nur Kleingeld wär.«
»Den Eindruck hatte ich, ja.«
»Was sollen denn das aber für Geschäfte sein, wo man solche Summen aus der Portokasse zahlt?«
»Da gibt’s schon welche. Waffen, Drogen, Menschenhandel, aber im ganz großen Stil. Das sind dann aber Sachen, die nicht in Dornbirn durchgezogen werden. Mafia, irgendwelche Kartelle …«
»Aber solche Leute würden doch nicht zahlen …«
»Da hast du recht, die würden uns durch den Wolf drehen, aber nichts bezahlen, keine zehn Cent. Das heißt, dieses Angebot …«
»Ist überhaupt nichts wert. Punkt a: Manfredo und Nowak sind keine Großkriminellen, Punkt b: Zahlen werden sie nicht. Daraus folgt Punkt c: Die führen was im Schilde. Gegen uns. Gefällt mir gar nicht. Was sollen wir denn jetzt tun?«
»Wir gehen hin. Wir beide. Du nimmst die MP 40 vom Papa. Mit Schalldämpfer. Ich nehm die Luger. Du gehst zuerst an den Treffpunkt und versteckst dich dort. Ich zeig dir noch genau, wo.«
»Um was zu tun?«
»Du kannst Fragen stellen! Um mich zu decken, natürlich. Wenn dieser Nowak falschspielt – oder sonst einer, den er mitbringt –, trittst du in Aktion.«
»Und …«
»Ja, genau.«
»Glaubst du, er bringt das Geld mit?«
»Das ist mir, ehrlich gesagt, jetzt auch schon egal. Wenn er es dabeihat, gut. Wenn nicht, dann holen wir uns das verdammte Geld! Wir lassen uns von denen doch nicht auf der Nase rumtanzen!«
*
Romuald wunderte sich über den Treffpunkt. Als Erpresser hätte er selber einen Ort im Zentrum gewählt, etwa den Dornbirner Wochenmarkt, wo sich jeden Mittwoch und Samstag Menschenmassen tummeln; quantitativ nicht zu vergleichen mit zum Beispiel der Wiener Mariahilfer Straße an einem Einkaufssamstag vor Weihnachten, aber doch so belebt, dass unüberlegte Aggressionshandlungen des Opfers eher auszuschließen sind. Weil im Grenzfall dann halt doch die Vernunft obsiegt. Das Einzige, was gegen eine belebte Fußgängerzone als Übergabeort spricht, ist die Unmöglichkeit, unerkannt zu bleiben – man kann dort nicht vermummt hingehen, ohne aufzufallen. Unerkannt bleiben muss der Erpresser aber nur, wenn er selber jenes Verbrechen begangen hat, auf dem die Erpressung gründet, zum Beispiel eine Entführung. In diesem Fall hat das Opfer die ganze Welt für sich. Und die Polizei. Wenn das grundlegende Verbrechen das Opfer begangen hat, besteht kein Grund, die eigene Identität zu verschleiern, denn das Opfer hat alle Welt und die Polizei gegen sich. Es wäre also am einfachsten, den Betreffenden in seinem Haus aufzusuchen und die vereinbarte Summe abzuholen. Im Grunde bestünde auch keine Notwendigkeit, am Telefon die Stimme zu verstellen, diesen Zinnober mit Taschentuch vor der Sprechmuschel aufzuführen und so fort. Aus dem Verhalten der Stimme war zu schließen, dass der oder die Erpresser entweder so dumm waren, dass sie nicht wussten, wie eine Erpressung funktioniert, oder dass sie sich ihrer Sache nicht sicher waren: Es könnte ja sein, dass die Leiche der Frau Leupold schon beseitigt worden war, dadurch der Erpressung gleichsam die logische Grundlage fehlte, aber selbst als Straftat bestand und verfolgt werden konnte. Dann erschien das Opfer am Treffpunkt ohne Geld, aber mit Polizei. In diesem Fall wäre ein entlegener menschenleerer Treffpunkt besser. Solche
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