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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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aber das war im Grunde überflüssig. Die virtuellen Übungsdisketten hatten gehalten, was Clive versprochen hatte. Er war bereit, jemanden mit einer der beiden Waffen zu töten.
    Ich schob mich hinter seine Augen.
    Widerstrebend schnallte er die Waffen und das Messer ab und legte sie aufs Bett zurück. Dann stand er eine Weile da, bis sich das unvernünftige Gefühl der Nacktheit verflüchtigt hatte.
    Die Schwäche der Waffen, hatte Virginia Vidaura es genannt, und vom ersten Tag der Envoy-Ausbildung an wurde es als Todsünde betrachtet, sich ihr hinzugeben.
    Eine Waffe – jede Waffe – ist ein Werkzeug, hatte sie uns erklärt, während ein Sunjet-Partikelwerfer in ihrer Armbeuge lag. Sie wurde zu einem spezifischen Zweck entworfen, genauso wie jedes andere Werkzeug, und ist nur zu diesem Zweck einsetzbar. Ihr würdet jemanden für verrückt erklären, der ständig mit einem Energiehammer herumliefe, nur weil er zufällig Ingenieur ist. Und was für Ingenieure gilt, gilt erst recht für die Envoys.
    Im Publikum brachte Jimmy de Soto hüstelnd seine Belustigung zum Ausdruck. Damals hatte er den meisten von uns aus der Seele gesprochen. Neunzig Prozent der Envoy-Rekruten stammten aus den konventionellen Truppen des Protektorats, bei denen Waffen einen Status hatten, der irgendwo zwischen einem Spielzeug und einem persönlichen Fetisch lag. Die Marines der UN nahmen ihre Waffe überallhin mit, selbst in den Urlaub.
    Virginia Vidaura hörte das Hüsteln und fasste Jimmy ins Auge.
    »Mr. de Soto. Sie sind anderer Meinung?«
    Jimmy rückte sich unbehaglich auf seinem Stuhl zurecht, leicht beschämt, dass er so schnell herausgegriffen worden war. »Nun, Ma’am. Ich habe die Erfahrung gemacht, je mehr Wucht man mit sich herumträgt, desto besser sieht die persönliche Bilanz aus.«
    Verhaltene Zustimmung lief durch die Reihen. Virginia Vidaura wartete, bis die Regung versiegt war.
    »In der Tat«, sagte sie und hob den Partikelwerfer mit beiden Händen an. »Dieses… Gerät verfügt über einige Wucht. Bitte treten Sie vor und nehmen Sie es.«
    Jimmy zögerte kurz, doch dann ging er nach vorn und nahm die Waffe von ihr an. Virginia Vidaura trat zurück, sodass Jimmy genau in der Mitte der Bühne vor den versammelten Auszubildenden stand, und zog ihre Corps-Jacke aus. Im ärmellosen Overall und den Raumdeck-Schuhen wirkte sie sehr schlank und verletzlich.
    »Sie können sich davon überzeugen«, sagte sie laut, »dass die Waffe auf Testmodus eingestellt ist. Wenn Sie mich damit treffen, hinterlässt das lediglich eine kleine Verbrennung ersten Grades, aber nicht mehr. Ich bin schätzungsweise fünf Meter von Ihnen entfernt. Ich bin unbewaffnet. Mr. de Soto, würden Sie bitte versuchen, auf mich zu schießen. Auf Ihr Kommando.«
    Jimmy sah sie verblüfft an, doch dann hob er gehorsam die Sunjet, um die Einstellungen zu überprüfen, bis er sie wieder sinken ließ und die Frau ansah, die ihm gegenüberstand.
    »Auf Ihr Kommando«, wiederholte sie.
    »Jetzt«, zischte er.
    Es war nahezu unmöglich, das Geschehen zu verfolgen. Jimmy riss im nächsten Moment die Sunjet hoch, und im bewährten Kampfstil feuerte er die Ladung ab, noch bevor der Lauf die Horizontale erreicht hatte. Die Luft wurde vom typischen wütenden Knistern des Partikelwerfers zerrissen. Der Strahl zuckte hervor. Aber Virginia Vidaura war gar nicht mehr da. Irgendwie hatte sie die Schussbahn vorhergesehen und sich darunter weggeduckt. Und irgendwie war es ihr gelungen, die Distanz von fünf Metern zur Hälfte zu überwinden, während die Jacke ihre rechte Hand verließ. Sie flog Jimmy entgegen, wickelte sich um den Lauf der Sunjet und riss die Waffe zur Seite. Dann hatte Virginia sich auf Jimmy gestürzt, bevor er wusste, wie ihm geschah, und schlug ihm den Partikelwerfer aus den Händen, der polternd über den Boden des Ausbildungsraums sprang. Sie brachte ihn zu Fall und legte behutsam eine Handkante unter seine Nase.
    Die folgende Erstarrung wurde erst unterbrochen, als der Mann neben mir die Lippen schürzte und einen langen, leisen Pfiff ausstieß. Virginia Vidaura verbeugte sich leicht in Richtung der Beifallsbekundung, dann stand sie auf und half Jimmy auf die Beine.
    »Eine Waffe ist ein Werkzeug«, wiederholte sie ein wenig außer Atem. »Ein Werkzeug zum Töten und Zerstören. Und es wird Zeiten geben, wenn Sie als Envoys töten und zerstören müssen. Dann werden Sie sich mit den Werkzeugen ausrüsten, die Sie benötigen. Aber vergessen Sie nicht

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