Das Urteil
und wo.«
»Ach, ich weiß nicht«, sagte sie, dann kreischte sie jemandem im Zimmer eine Obszönität zu.
Swanson umklammerte den Hörer fester. »Hören Sie, Beverly, hören Sie mir zu. Sie erinnern sich doch an das kleine Café, in dem wir uns voriges Mal getroffen haben?«
»Ja, ich glaube.«
»An der Achten, in der Nähe von Balducci's.«
»Ach ja.«
»Gut. Kommen Sie dorthin, sobald Sie können.«
»Wie bald ist das?« fragte sie, dann brach sie in Gelächter aus.
Swanson war geduldig. »Wie wäre es gegen sieben?«
»Wie spät ist es jetzt?«
»Halb vier.«
»Wow.«
»Wie wäre es, wenn ich jetzt gleich zu Ihnen kommen würde? Sagen Sie mir, wo Sie sind, und ich schnappe mir ein Taxi.«
»Nee. Ich bin okay. Habe nur ein bißchen Spaß.«
»Sie sind betrunken.«
»Na und?«
»Wenn Sie diese viertausend Dollar haben wollen, dann sollten Sie wenigstens so weit nüchtern bleiben, daß Sie sich mit mir treffen können.«
»Ich werde da sein, Baby. Wie heißen Sie doch gleich?«
»Swanson.«
»Okay, Swanson. Ich werde um sieben da sein, oder jedenfalls irgendwann um die Zeit.« Sie lachte, als sie auflegte.
Swanson versuchte gar nicht erst, noch einmal einzuschlafen.
Um halb fünf meldete sich Marvis Maples beim Gefängniswärter und fragte, ob er seinen Bruder Derrick abholen könnte. Die fünf Stunden waren um. Der Wärter holte Derrick aus der Ausnüchterungszelle, dann schloß er einen Metallkasten auf und stellte ihn auf den Tresen. Derrick überprüfte den Inhalt des Kastens - elftausend Dollar in bar, Autoschlüssel, Taschenmesser, Lippenbalsam -, und sein Bruder schaute fassungslos zu.
Auf dem Parkplatz fragte Marvis nach dem Geld, und Derrick erklärte, er hätte einen guten Abend an den Crap-Tischen gehabt. Er gab Marvis zweihundert Dollar und fragte, ob er sich seinen Wagen ausleihen dürfte. Marvis nahm das Geld und willigte ein, beim Gefängnis zu warten, bis Derricks Wagen vom städtischen Parkplatz gebracht wurde.
Derrick raste nach Pass Christian und parkte hinter dem Siesta Inn, als es im Osten gerade zu dämmern begann. Er duckte sich, für den Fall, daß jemand vorbeikam, und schlich durchs Gebüsch, bis er das Fenster von Angels Zimmer erreicht hatte. Es war natürlich verschlossen, und er klopfte leise an. Niemand reagierte. Daraufhin suchte er sich einen kleinen Stein und klopfte lauter. Rings um ihn her wurde es allmählich hell, und er begann, in Panik zu geraten.
»Keine Bewegung!« ertönte eine laute Stimme hinter seinem Rücken.
Derrick fuhr herum und sah Chuck, den uniformierten Deputy, der eine lange, glänzende, schwarze Pistole auf seine Stirn gerichtet hielt. Er schwenkte die Waffe. »Weg von dem Fenster da! Hände hoch!«
Derrick hob seine Hände und durchquerte das Gebüsch. »Hinlegen!« war der nächste Befehl, und Derrick landete der Länge nach auf dem kalten Gehsteig, mit den Händen über dem Kopf. Chuck rief über Funk Hilfe herbei.
Marvis wartete immer noch vor dem Gefängnis auf Derricks Wagen, als sein Bruder zum zweiten Mal in dieser Nacht abgeführt wurde.
Angel schlief und hatte von alledem keine Ahnung.
38
E s war eine Schande, daß ausgerechnet der Geschworene, der am eifrigsten gewesen war, aufmerksamer zugehört hatte als die anderen, sich an mehr von dem erinnerte, was gesagt worden war, und jede von Richter Harkins Anweisungen befolgt hatte, der letzte sein sollte, der ausgebootet und dadurch daran gehindert wurde, das Urteil zu beeinflussen.
Verläßlich wie die Uhr erschien Mrs. Grimes um Punkt Viertel nach sieben im Eßzimmer, nahm sich ein Tablett und begann, das Frühstück zusammenzustellen, mit den gleichen Dingen, die sie seit fast zwei Wochen geholt hatte. Kleieflocken, Magermilch und eine Banane für Herman. Cornflakes, teilentrahmte Milch, eine Scheibe Speck und Apfelsaft für sich selbst. Wie so oft trat Nicholas zu ihr ans Büffet und bot seine Hilfe an. Er besorgte nach wie vor den ganzen Tag im Geschworenenzimmer den Kaffee für Herman und fühlte sich verpflichtet, auch am Morgen zu helfen. Zwei Stück Zucker und ein Tütchen Sahne für Herman. Schwarz für Mrs. Grimes. Sie unterhielten sich darüber, ob sie bereits gepackt hätten oder nicht und bereit wären, das Motel zu verlassen. Sie war glücklich über die Aussicht, am Abend zu Hause essen zu können.
Den ganzen Morgen hatte eine ausgesprochen festliche Stimmung geherrscht. Nicholas und Henry Vu hielten am Eßtisch Hof und begrüßten die anderen
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