Das Urteil
allgemein bekannt. Richter Harkin weiß es bestimmt auch, deshalb diese ständigen Warnungen.«
»Kann man ihnen nicht das Handwerk legen?«
»Noch nicht. Sie sind sehr schlau und gerissen und hinterlassen keine Spuren. Außerdem verfügen sie über Millionen.«
Er machte eine Pause, während sie ihn musterte. »Sie haben Sie vor der Auswahl der Geschworenen beobachtet.«
»Nein!«
»Natürlich haben sie das getan. Das ist Standardverfahren bei großen Prozessen. Das Gesetz verbietet ihnen, vor der Auswahl mit einem potentiellen Geschworenen Kontakt aufzunehmen, also gehen sie anders vor. Sie haben wahrscheinlich Ihr Haus fotografiert, Ihren Wagen, Ihre Kinder, Ihren Mann, Ihren Arbeitsplatz. Möglicherweise haben sie mit Kolleginnen von Ihnen gesprochen oder Unterhaltungen im Büro oder beim Lunch belauscht. Man kann nie wissen.«
Sie stellte ihren Orangensaft auf die Fensterbank. »Das hört sich illegal oder unethisch oder so was an.«
»Oder so was. Aber sie kommen damit durch, weil Sie keine Ahnung hatten, daß sie es taten.«
»Aber Sie haben es gewußt?«
»Ja. Ich habe einen Fotografen in einem Wagen vor meiner Wohnung gesehen. Und sie haben eine Frau in den Laden geschickt, in dem ich arbeite, um mich in eine Diskussion über das dort herrschende Rauchverbot zu verwickeln. Ich habe genau gewußt, was sie taten.«
»Aber Sie haben doch gesagt, direkte Kontaktaufnahme wäre verboten?«
»Ja, aber ich habe nicht gesagt, daß sie fair spielen. Ganz im Gegenteil. Sie verstoßen gegen jede Regel, um zu gewinnen.«
»Und weshalb haben Sie es dem Richter nicht gesagt?«
»Weil es harmlos war, und weil ich wußte, was sie taten. Jetzt, wo ich zur Jury gehöre, passe ich besonders genau auf.« Nachdem er sie neugierig gemacht hatte, hielt Nicholas es für angebracht, weiteren Schmutz für später aufzusparen. Er schaute auf die Uhr und stand unvermittelt auf. »Ich glaube, ich gehe schnell noch mal für kleine Jungs, bevor wir in den Saal müssen.«
Lou Dell platzte ins Zimmer und ließ die Tür in den Angeln rattern. »Zeit zu gehen«, sagte sie, einer Betreuerin in einem Jugendlager mit viel weniger Autorität, als sie gern gehabt hätte, nicht unähnlich.
Die Zuschauermenge war auf ungefähr die Hälfte der gestrigen Zahl geschrumpft. Nicholas musterte sie rasch, während die Geschworenen sich setzten und es sich auf den abgeschabten Polstern halbwegs bequem machten. Fitch saß, wie zu erwarten gewesen war, auf demselben Platz, jetzt mit teilweise von einer Zeitung verdecktem Kopf, als wäre ihm die Jury völlig gleichgültig, und als interessierte es ihn nicht im geringsten, was Easter anhatte. Anstarren würde er ihn später. Die Reporter waren fast alle verschwunden, würden aber im Laufe des Tages eintreffen. Die Typen von der Wall Street machten schon jetzt einen gründlich gelangweilten Eindruck; alle waren jung, hatten gerade das College hinter sich und waren in den Süden geschickt worden, weil sie Anfänger waren und ihre Bosse Besseres zu tun hatten. Mrs. Herman Grimes saß auf ihrem üblichen Platz, und Nicholas fragte sich, ob sie jeden Tag da sein, sich alles anhören und ständig bereit sein würde, ihrem Mann beizustehen.
Nicholas rechnete fest damit, daß er den Mann sehen würde, der in seine Wohnung eingedrungen war, vielleicht nicht heute, aber doch irgendwann im Laufe des Prozesses. Im Augenblick befand er sich nicht im Saal.
»Guten Morgen«, sagte Richter Harkin freundlich zu den Geschworenen, als alle stillsaßen. Lächeln allerseits: beim Richter, dem Gerichtspersonal, sogar den Anwälten, die ihr Flüstern und Tuscheln unterbrochen hatten, um die Jury mit falscher Herzlichkeit zu mustern. »Ich hoffe, es geht Ihnen allen gut.« Er hielt inne und wartete darauf, daß fünfzehn Köpfe verlegen nickten. »Gut. Mrs. Dell hat mich informiert, daß alle auf einen vollen Tag vorbereitet sind.«
Seine Ehren griff nach einem Blatt Papier mit einer Liste von Fragen, die die Geschworenen bald hassen sollten. Er räusperte sich und hörte auf zu lächeln. »Also, meine Damen und Herren Geschworenen, ich werde Ihnen jetzt eine Reihe von Fragen stellen, überaus wichtigen Fragen, und ich möchte, daß Sie darauf antworten, wenn Sie auch nur die geringste Veranlassung dazu sehen. Außerdem möchte ich Sie darauf hinweisen, daß die Nichtbeantwortung, sofern eine Antwort angebracht ist, von mir als Mißachtung des Gerichts angesehen und mit einer Gefängnisstrafe belegt werden kann.«
Er
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