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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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auszuführen. Hardy hatte seine Aktentasche aufgeklappt, die Unterlagen vor sich auf dem Tisch. Er zwang sich dazu - irgendwo mußte er ja anfangen -, die Telefonnummer von Jody Bachman herauszusuchen, dem Anwalt in Los Angeles, der die Yerba Buena Medical Group vertrat.
    Da es bereits halb neun war und damit außerhalb der Geschäftszeit, war er nicht überrascht, einen dieser automatischen Anrufverteiler an den Apparat zu bekommen, die den Anrufer fragten, ob er den Nachnamen oder die Durchwahl des gewünschten Gesprächspartners kannte. Pflichtbewußt gab er die ersten vier Buchstaben ein - B.A.C.H. Er hörte es nur einmal klingeln.
    »Jody Bachman.« Eine junge Stimme, die sich nicht gerade überschlug, aber voller Begeisterung und Pep war.
    »Mr. Bachman, mein Name ist Dismas Hardy. Ich bin Rechtsanwalt in San Francisco und habe vor mehreren Wochen eine Nachricht für Sie hinterlassen. Jetzt möchte ich gern nachhaken.« Ganz schön spät, ergänzte er für sich. Es gab eine lange Pause. »Habe ich Sie nicht zurückgerufen?« Hardy mußte lächeln. Sie schliffen diese Burschen in den Mühlen der Großkanzleien derart kurz und klein, daß sie nicht mehr wußten, wo rechts und links war.
    »Vielleicht schon«, gab Hardy zu. »Ich habe jedenfalls keine Nachricht erhalten, soviel steht fest.«
    »Tut mir leid. Hier ging es drunter und drüber. Vielleicht wissen Sie das ja.«
    Sie plauderten ein Weilchen, ein von der Gebührenordnung nicht abgedecktes Gespräch unter Anwaltskollegen über den irren Streß und die Schufterei bis in die Puppen, dann kam Hardy zur Sache und sagte, daß Todd Crane ihm empfohlen habe, mit Bachman über die YBMG zu sprechen. »Klar doch, ich vertrete die Gruppe. Wenn ich Ihnen helfen kann - aber Sie sagten, es handle sich um einen Mordprozeß.« Hardy erklärte, worum es ging.
    »Witt? Witt? Ich kann nicht gerade sagen, daß bei mir irgendwelche Glocken läuten, aber ich bin jetzt seit vier Tagen auf den Beinen, und manchmal fällt mir mein eigener Name nicht mehr ein.« Er lachte entnervt. »Der Zauber des LBO.« »Was ist das?« fragte Hardy, das Unschuldslamm. »Was? LBO? Leveraged buyout, eine forcierte Firmenübernahme. Wo haben Sie denn gesteckt, Mr. Hardy? Der absolute Schlager der Vergangenheit oder der Zukunft, je nachdem, wo man politisch steht. Oder wieviel Geld man hat.« »Was aufs selbe hinausläuft, finden Sie nicht?« »Nicht unbedingt, aber oft liegt man damit ziemlich richtig. Also, hören Sie, was diesen Dr. Witt betrifft...«
    »Ich bin ziemlich sicher, daß er im Dezember vergangenen Jahres in Ihrem Büro angerufen hat. Ich weiß nicht, mit wem er gesprochen hat.«
    »Wahrscheinlich mit mir«, räumte Bachman ein, »aber ich kann mich wirklich nicht daran erinnern. Ich werde meine Sekretärin darum bitten, nachzusehen, und Sie dann zurückrufen, in Ordnung?«
    »Wunderbar. Danke.«
    »Aber klar doch. Keine Ursache.«
    »Das ist endlich dein wahres Ich«, sagte Hardy zu seinem Freund Abe Glitsky, der im Clownskostüm in der Tür seines Appartements stand - riesige patschige Füße, ein weißes, fingerdick aufgetragenes Make-up, eine niedliche rote Nase. »Laß mich raten ...«
    Glitsky schnitt ihm das Wort ab. »Jakob feiert Kindergeburtstag.« Er verschwand wieder im Appartement, und Hardy trabte hinter ihm her. Flo tauchte auf und küßte ihn auf die Wange, fragte, ob er ein Stück Kuchen oder eine Portion Eis wolle. In der engen Küche tummelten sich ungefähr fünfzehn Zehnjährige, von denen keiner am Meditieren war.
    »Abe sieht gut aus.«
    Flo warf ihm einen scheelen Blick zu. »Wart's nur ab. Du kommst mit solchen Sachen auch noch dran.«
    Hardy dachte, daß sie vermutlich recht hatte. In diesem Moment konnte er sich jedoch nicht als künftige Reinkarnation von Bozo dem Clown vorstellen, aber er mußte zugeben, daß es im Bereich des Möglichen lag. »Ist er bald fertig?«
    »Zehn Minuten«, sagte Flo, »vielleicht ein bißchen länger. Es ist nur eine kurze Nummer.«
    »Ich würde es mir gern ansehen.«
    Sie ging zu ihm, legte ihm eine Hand auf den Arm. »Ich glaube, du würdest ihn verunsichern. Du kannst im Zimmer der Jungen warten.«
    Alle drei Glitsky-Jungen schliefen im selben Zimmer, und das war nicht gerade groß. Jacob und Isaac teilten sich das Etagenbett und OJ, der jetzt fast fünf war, schlief in einem kleinen Klappbett an der gegenüberliegenden Wand. Hardy setzte sich darauf und lauschte dem Gelächter in der Küche, während sein Freund, der

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