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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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hieß, um sich zu vergewissern, daß keine der Frauen fehlte. Das dauerte beinahe eine geschlagene Stunde, und dann brachte man das Essen.
    Zu dem Zeitpunkt hatte Jennifer das Gefühl, daß sie sich ausgeweint hatte. Ohne wirklich darüber nachzudenken, nahm sie ihr Tablett und ihr Plastikbesteck in Empfang und folgte einigen der anderen Frauen hinaus in den großen Gemeinschaftsraum, den tank. Sie setzte sich an einen der Tische unter dem Fernseher.
    Sie bekam nichts davon herunter - Hackbraten, Soße, Kartoffelbrei aus der Tüte, Erbsen, drei Scheiben Brot. Larry hätte den Teller quer durchs Zimmer geworfen, zumal die Soße in die Erbsen und aufs Brot schwappte. Sie mußte mit einemmal wieder weinen.
    »Du ißt das besser auf, Schätzchen. Es gibt schlimmere Scheiße als das hier.« Es war eine große, geradezu stattliche Schwarze. »Ist das das erste Mal für dich?«
    Jennifer war sich nicht einmal sicher gewesen, wovon sie überhaupt sprach. Das erste Mal, daß sie Hackbraten aß? Das erste Mal, daß sie weinte? Sie ließ den Kopf hängen, schüttelte ihn von links nach rechts. »Ich weiß nicht, ich weiß es einfach nicht...«
    Die Frau, Clara, drang nicht weiter in sie. Was immer Jennifer nicht wußte, ihr war es recht. Clara setzte sich neben sie, bat sogar erst um Erlaubnis und fing dann zu essen an, sagte, daß man sie - wieder einmal - wegen Diebstahls eingesperrt hatte. »Weshalb sitzt du?«
    Jennifer steckte die Gabel ins Fleisch und führte sie zum Mund. Es schmeckte nach nichts, weder gut noch schlecht. »Sie glauben, daß ich meinen Mann umgebracht habe.«
    Clara nickte unbeeindruckt. »Der Scheißer hat's wahrscheinlich verdient, hab ich recht? Wie schlimm hat er dich denn verprügelt?«
    »Das hab ich nicht gesagt. Er war ein guter Mensch, ein Arzt, und ich hab ihn nicht umgebracht.«
    »Natürlich hast du das nicht.« Clara wandte sich wieder ihrem Teller zu. »Mach dir keine Sorgen. Sag, daß er dich verprügelt hat, dann lassen sie dich raus. Wirst sehen. Du schwirrst wieder ab, kein Problem. Das klärt sich alles. Kein Grund zum Weinen.«
    Jennifer wollte es gar nicht sagen, aber es rutschte ihr einfach raus. »Mein Sohn fehlt mir so.«
    Clara senkte die Gabel. »Ich weiß, auch mir fehlt mein Kleiner - Rodney ist erst zwei, aber er ist echt 'n Schatz. Sie brummen mir nicht mehr als ein Jahr auf, also sitz ich fünf Monate und zwanzig Tage ab, und Rodney bleibt bei Else, meiner Schwester. Sie ist lieb zu Rodney. Manchmal schafft er mich, also ist das vielleicht eine Art Ferien. Für uns beide. Vielleicht ist es das, was Gott im Sinn hatte.«
    Jennifer schüttelte wieder den Kopf. »Mein Kleiner ist fort«, sagte sie. »Er ist tot.« Sie spürte, daß Clara neben ihr zu essen aufhörte. Sie legte Jennifer eine Hand auf die Schulter, ihre schwarzen Augen waren feucht und sanft. »Oh, du Arme.«
    »Sie glauben, daß ich ihn auch umgebracht habe. Es ist verrückt ... Sie sagen, daß er reinkam, als Larry und ich um die Waffe kämpften oder so was Ähnliches. Es ist bescheuert, echt verrückt... Und sie lassen mich nicht gegen Kaution raus.«
    Clara nahm ihre Hand weg. Ihre Stimme war heiser und tief »Ich hab noch nie gehört, daß man nicht gegen Kaution rauskommt.«
    Jennifer sagte, dann habe sie es jetzt eben gehört.
    »Bist du sicher? War die Haftvorführung schon? Ja, natürlich. Oh, Schätzchen, tut mir wirklich leid. Wie alt war denn, dein Junge?« .
    »Matt. Er war sieben. Sie haben mir gesagt, daß sie die Todesstrafe beantragen wollen.«
    »Für dich? Na, da hast du aber Dusel.« Die Nachricht schien sie aufzumuntern. Jennifer starrte sie verständnislos an, und Clara erklärte, was sie meinte. »Du hast die falsche Hautfarbe, Mädchen. Die schicken doch keine Weiße wie dich in die Gas kammer.«
    Beim Frühstück saßen dann Clara und die andere neu angekommene Weiße, Rhea (schwerer Diebstahl), am Tisch. Und Mercedes (Mord) und Rosie (schwere Körperverletzung) und Jennifer. Alle Männer und Frauen im sechsten Stock warteten entweder auf ihren Prozeß oder aber, sofern man sie verurteilt hatte, auf ihren Abtransport ins Staatsgefängnis oder in eine andere Strafanstalt.
    Der Prozeß von Mercedes würde in ein paar Wochen beginnen, sie war schon vier Monate in Haft. Irgendwann hatte sie ihren Tunichtgut von Ehemann erstochen, weil der sie in einer Tour betrogen hatte. Rosie, die ihrem Freund eins mit dem Nudelholz übergezogen hatte, besaß keine zweitausend Dollar «für die Kaution.

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