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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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Verteidigung für irgendeine juristische Meinung zu spielen, er wollte nicht argumentieren, weil er sich durchsetzen konnte, sondern er wollte die Wahrheit ans Licht bringen, egal, wie sie aussah.
    Er legte Matts Foto mit der Bildseite nach unten auf den Stapel und griff sich das nächste Foto.
    Freeman wohnte an der Ecke von Taylor und Pine Avenue, ein steiles Häuserkarree unterhalb von der Spitze des Nob Hill und ein Stockwerk über einem der ältesten und besten französischen Restaurants der Stadt. Freeman unterhielt in dem Restaurant seinen eigenen Weinkeller und ging dort pro Monat durchschnittlich zehnmal zum Essen.
    Seine Wohnung war bescheiden, was Größe und Komfort anging - zwei Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche mit Eßnische. Trotz seines hohen Einkommens machte Freeman in der Wohnung kein Zugeständnis an die moderne Technik. Er benutzte noch immer das an der Küchenwand angebrachte Telefon mit Wählscheibe, und wenn er sich klassische Musik anhörte, andere interessierte ihn nicht, dann spielte er sie auf alten Langspielplatten mit 33 Umdrehungen pro Minute, die er Anfang der sechziger Jahre zusammen mit der damals brandneuen Stereoanlage gekauft hatte. Die Sofas und Sessel im Wohnzimmer waren bequem, aus altem, rissigem roten Leder; die Couch- und die Beistelltische waren aus irgendwelchem dunklen Holz mit Füßen in der Form von Löwenpranken. Die Lampen besaßen alle Schirme, und die meisten von ihnen verfügten über zwei Glühbirnen, die man jeweils einzeln oder gekoppelt anschalten konnte.
    Sein derzeit laufender Prozeß war bis zum kommenden Montag vertagt worden, weil der Staatsanwalt Zahnschmerzen hatte und zum Zahnarzt mußte. Also hatte Freeman in der Sutter Street Nachricht hinterlassen, daß Hardy ihn besuchen kommen solle - es handelte sich nur um einen Spaziergang von sechs Häuserblocks -, um mit ihm noch vor dem Wochenende ein paar Fragen in der Sache Jennifer Witt zu besprechen.
    Die Fotos vom Tatort waren selbstverständlich ebenfalls der Akte beigefügt gewesen, und Hardy wußte, daß es Leute gab, die sich zunächst einmal diese Bilder ansahen, bevor sie sich irgend etwas durchlasen. Er hielt es anders.
    Es waren siebenundzwanzig Fotos des Zimmers, in dem die Morde begangen worden waren, und sie zeigten das Ganze genau so, wie es die Leute des Fototeams vorgefunden hatten, obwohl viele der Aufnahmen im wesentlichen dasselbe aus leicht veränderter Perspektive zeigten. Diese Aufnahmen waren, wie üblich, kompetent ausgeführt. Absichtlich bemühten sie sich nicht um kunstvolles Arrangement, aber die Bildschärfe war tadellos, die Farben waren präzise, die Parallaxenverschiebung berücksichtigt.
    Es gab ferner noch jeweils acht Fotos von Larry und Matt, d. h. der Leichen auf dem Seziertisch und ihrer Wunden.
    Hardy und Freeman waren die Bilder jeder für sich eins nach dem anderen durchgegangen. Es war eine wortlose Arbeit.
    Als sie damit fertig waren, breiteten sie ein gutes Dutzend Jer Tatortfotos aus, um sie sich gemeinsam genauer zu betrachten.
    Sowohl Vater wie Sohn waren mit jeweils einem Schuß aus einer .38er Automatik getroffen worden. Bei den Kugeln, genau wie bei den übrigen fünf, die man später im Magazin gefunden hatte, handelte es sich um Hohlspitzgeschosse, wie sie gern von Leuten genommen werden, die ihre Waffen zum Schutz gegen Einbrecher kaufen. Manchmal, so lautete das Argument, konnte man nur einen Schuß abgeben, und der mußte dann soviel Schaden anrichten wie möglich.
    Nach diesem Kriterium hatten die Kugeln ihre Sache gut gemacht. Larry war durchs Herz geschossen worden. Die Kugel war auf diese kurze Distanz aus dem Rücken ausgetreten, der Geschoßkern war in der Rigipswand steckengeblieben. Es gab eine Nahaufnahme dieses Wandabschnitts, und Hardy war überrascht, daß er die Stelle total übersehen hatte, als er in dem Zimmer gewesen war, doch andererseits hatte er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr den kühlsten Kopf gehabt.
    Die Wucht des Schusses hatte Larry offenbar rücklings aufs Fußende des Bettes geschleudert, von wo aus er auf den Fuß boden gerollt war. Er war auf der rechten Seite liegengeblieben und bereits tot gewesen, bevor er auf dem Teppich auftraf, was man daran sah, daß die Blutflecken unter ihm nicht verwischt waren.
    Weder Hardy noch Freeman wollten sich die Fotos von Matt ansehen, der einen Kopfschuß abbekommen hatte. Er stand offenbar in der Tür zum Bad. Gestern abend hatte das Badezimmer antiseptisch gewirkt, aber auf diesen Fotos

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