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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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wartete.
    »Man hat eine Frau namens Rhea Thompson am selben Tag ins Untersuchungsgefängnis gebracht, an dem man Jennifer verhaftet hat.« Freemans Stimme klang heiser, kehlig. Er räusperte sich. »Ihre Kaution belief sich auf fünftausend Dollar, und die hat sie heute bezahlt und ist mit ihrem Zuhälter hier rausmarschiert.«
    »Prima.«
    »Selber prima. Rhea ist ungefähr einssechzig groß, sechzig Kilo schwer, blond, blaue Augen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Die Antwort ist ja.«
    Hardy wartete. »Was ist also passiert?«
    »Also ist Jennifers Foto irgendwie auf Rheas Knastausweis gelandet.«
    Der Knastausweis, die Karte mit den Daten der Verhaftung, war im sechsten Stock das Personalpapier, das die Justizwacht meister mit Vorliebe benutzten. Man sah sich das Foto an, dann musterte man die betreffende Person, und entweder sie paßten zueinander oder nicht. Sowohl Rhea wie Jennifer waren erst zwei Tage im Gefängnis - nicht viele der Wärter kannten sie bereits vom Sehen. Insbesondere nicht die Leute von der Spätschicht.
    »Was wollen Sie damit sagen, David?«
    »Ich will damit sagen, daß unsere Mandantin uns nur bis einschließlich Montag bezahlt hat, weil sie nicht vorhatte, länger dort oben rumzuhocken. Unser kleiner Liebling hat die Kurve gekratzt.«
    »Jennifer ist geflohen? Aus dem sechsten Stock? Sie machen Scherze.«
    Freeman seufzte. »Ich wünschte, dem wäre so, mein Sohn. Ich wünschte, dem wäre so.«

Teil zwei

    Larry gestand ihr fünfundvierzig Minuten zum Laufen zu, was eine vernünftige Zeitspanne war. Er war ein vernünftiger Mensch, versuchte sie sich einzureden. Er wollte einfach nicht, daß ihr etwas zustieß - falls sie beim Laufen stürzte und es keinen festen Termin gab, konnte sie irgendwo rumliegen, sich vor Schmerzen krümmen, der Gnade von Fremden ausgeliefert sein, und Larry hätte keine Ahnung. Er hätte gar keinen Grund zu der Annahme, daß irgendwas nicht in Ordnung war. Aber so wüßte er es, falls sie nicht rechtzeitig zurück war - er konnte dasein, um ihr zu helfen.
    Er liebte sie. Ja, das war der Grund für all die zeitlichen Beschränkungen.
    Sie hatte eine halbe Stunde, wenn sie Matt zu seiner Privatschule fuhr - Laguna Honda hieß die Schule, die zwölf Häuserblocks weit weg lag -, und das ließ an manchen Tagen ein bißchen Spielraum für dichteren Verkehr, nicht aber dafür, sich mit den anderen Müttern zu unterhalten. Deshalb, und das leuchtete einem sofort ein, konnte sie nicht irgendwelchen Ärger bekommen, weil sie zuviel redete, wie es manche Frauen machten. Die Witts nahmen in ihrer Umgebung den Rang ein, den sie einnahmen, weil niemand irgend etwas Schlechtes über sie zu berichten wußte, und Larry wollte nicht zulassen, daß das irgendwie gefährdet wurde - auf diese Weise beschützte er sie alle. Nicht nur Jennifer.
    Was das Einkaufen anging, da konnte er flexibel sein, solange sie ihn anrief, bevor sie wegfuhr und sich dann wieder meldete, sobald sie zurückkam ... bevor sie noch die Sachen ausgepackt hatte. Und sie verstand sich aufs Einkaufen. Sie schaffte es in weniger als einer Stunde, hinunter zum großen Petrini's auf der Ocean Avenue - sie führten einfach alles - zu fahren und einen Einkaufswagen vollzupacken und wieder zu Hause zu sein.
    Manchmal mogelte sie. Aber das war deshalb, weil sie im Grunde ihres Herzens böse war. Aufmüpfig. Larry wußte, daß sie mogeln würde, und daher schrieb er ihr Regeln vor, damit sie keine Zeit dazu hatte und gar nicht erst in Versuchung geriet. Trotzdem umging sie die Regeln, obwohl sie wußte, daß sie zu ihrem Besten waren. So war sie eben.
    Larry liebte sie trotzdem, obwohl er wußte, wer sie wirklich war. Sie machte ihm deshalb wirklich keinen Vorwurf, wenn er sie ab und zu schlug. Wenn sie es wäre, hätte sie jemanden wie sich selbst wahrscheinlich schon längst totgeschlagen. Manchmal wollte sie sich umbringen, aber das wäre nicht ge recht Matt oder auch Larry gegenüber.
    Es war wie damals, als sie wegzulaufen und Matt mitzunehmen versuchte. Was war denn das, wenn nicht ein Schrei um Hilfe? Und Larry hatte ihn gehört - sie hatte das nicht einmal Ken Lightner erzählt. Wer sonst hätte sie genügend liebgehabt, um ihr nachzufahren, sich ein paar Tage in der Praxis freizunehmen, ihr bis hinunter nach Los Angeles zu folgen? Sie machte Larry keinen Vorwurf daraus, daß er sagte, er würde sie umbringen, falls sie das noch einmal versuchen sollte. Sie konnte ihn nicht verlassen. Er brauchte sie, er liebte

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