Das Urteil
tat, falls das passieren sollte...
Was immer ihr passieren mochte, wenn man es sich genau besah, hatte sie es verdient. Warum sonst sollte es passieren? Aber bei Matt war das anders. Er brachte den Stein nicht ins Rollen. Er war ein vertrauensvoller und grundanständiger Junge . Sie würde nie zulassen, daß Larry ihm wehtat.
Nun, wie konnte sie Larry daran hindern? Das war die Frage - falls es je dazu kommen sollte, wie konnte sie ihn daran hindern?
14
Am Samstag, dem 10. Juli, ließ Hardy den sechs Monate alten Vincent auf den Knien hopsen und sang ihm aus voller Kehle ein Lied dazu vor. Er saß fast fünfzehn Meter über dem Erdboden, thronte auf der einen Meter hohen Brüstung, die rings ums Dach des Apartmentgebäudes lief, in dem Moses McGuire wohnte.
Moses machte sich in letzter Zeit ein faules Leben. Als er sich schließlich doch von der Vorstellung verabschiedet hatte, daß Hardy die Juristerei satt bekäme und wieder als Bartender im Shamrock anfinge, stellte er einen neuen Mann ein, Alan Blanchard, der Hardys alte Schichten übernahm, und seither hatte Moses viel Zeit zur Verfügung, um seinen sonstigen Interessen nachzugehen, die sich seit einigen Monaten in zwei Worten zusammenfassen ließen: Susan Weiss.
Es war früher Nachmittag, die Sonne stand hoch in einem blauen Himmel, vom Osten wehte eine leichte milde Brise, und Susan saß neben Hardy auf der Brüstung. Sie war eine sehr gefühlsbetonte, dunkelhaarige Frau, Cellistin im San Francisco Symphony Orchestra. Sie trug ihr Haar in einem Pferdeschwanz und sah etwa so alt wie Frannie aus, obwohl sie acht Jahre älter war. Sie hatte ein Top mit Spaghettiträgern an, eine kurze Hose und Sandalen.
Moses stand mit seiner Schwester am Grill und drehte die Rippchen um. Hardy reichte seinen Jungen an Susan weiter, die anfing, den Kleinen anzugurren. Frannie besah sich die Szene. Zuletzt blieb ihr Blick auf Susan haften. »Laß sie nicht zu viele Babys im Arm halten. Damit fängt alles an.«
Moses nahm einen Schluck aus seiner Flasche Sam-Adams- Bier. »Wie sie aussieht, damit fängt alles an«, sagte er, »daraus ergeben sich dann die anderen Sachen.«
»Tja, die anderen Sachen können Babys machen. Ich weiß das aus sicherer Quelle.«
Untypischerweise ließ sich Moses einen Augenblick lang Zeit, ehe er antwortete: »Ich will dir was sagen, Fran, seit ich sie kenne, denke ich manchmal darüber nach.«
Das betrübte Frannie keineswegs - sie mochte Susan und mußte zugeben, daß sie reizend war, auch wenn Moses bereits Mitte Vierzig war. Aber sie wollte es genau wissen. »Ist das dein Ernst?«
Moses bügelte sie mit der Standardantwort ab, die er als Bartender allzeit parat hatte: »Nein, ist er nicht. Ernst ist schon längst heimgegangen.«
Frannie schmierte ihrem großen Bruder etwas Barbecuesauce auf den Arm und sah ihn dann feierlich an: »Das hier ist doch nicht etwa die Verlobungsfeier, oder?«
»Es ist noch nicht mal 'ne Feier.« Moses leckte die Sauce ab. »Es ist bloß ein Mittagessen.«
Hardy und Susan standen auf. Susan hielt Vincent so, daß er Frannie sehen konnte und wiegte den Kleinen im Gehen. Frannie hörte, wie Susan tonlos summte. »Ich hab dich gewarnt«, sagte sie leise zu Moses.
»Wovor?« Hardy hatte den Arm um seine Frau gelegt.
»Das war nicht für deine Ohren bestimmt. Ich hab nicht mal mit dir gesprochen.«
Hardy küßte sie aufs Ohr. »Na los, worum ging's?«
Moses mischte sich ein. »Sie glaubt, daß Susan ein eigenes Baby haben will, bloß weil sie ein anderes im Arm hält.«
Susan nickte. »Sie hat vielleicht recht.« Sie hielt Vincent weg von sich und schnitt dem Baby eine Grimasse, die es mit einem strahlenden Grinsen quittierte. »Mein Gott, das ist echt ein Püppchen! Ich könnte mich glatt an die Vorstellung gewöhnen, so einen kleinen Kerl zu haben.« Sie stupste Moses mit der Schulter an, schmiegte sich an ihn. »Ist er nicht süß?«
Mit leidvoller Miene legte Moses den Arm um sie. Er tat so, als würde er das Baby eingehend betrachten. Er schüttelte den Kopf. »Nein, er sieht wie Hardy aus. Rebecca dagegen, meine Nichte, die ist süß. Sie ähnelt meiner Schwester, die wiederum wie ich aussieht.«
Hardy nutzte dieses Herumgewitzel, um aufzustehen und seine Frau zu küssen, doch Moses stellte sich zwischen die beiden. »Nix da, nix da. Keine Zungen.«
»Was soll das heißen, keine Zungen? Mammi und Pappi haben doch Zungen.« Das war Rebecca, die zu den Erwachsenen herübergekommen war, um ebenfalls
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