Das Urteil
Burg kaputtzumachen, sie in Stücke zu stampfen, sich wie ein Kamikazeflieger draufzu-stürzen. In einem der Apartmenthäuser zur Rechten hatte irgendwer ein Fenster aufgemacht und die Stereoanlage voll aufgedreht - Bonnie Raitt ließ die ganze Nachbarschaft wissen, daß sie gerade noch rechtzeitig die große Liebe gefunden hatte.
Hardy sagte zu Frannie, daß er genauso denke.
16
»Wieso würden Sie jetzt ein Schuldeingeständnis akzeptieren?«
Freeman bezog Hardy in seinem fragenden Blick mit ein. Nachdem Jennifer aus dem Gefängnis ausgebrochen war, hatten beide erwartet, daß der Staatsanwalt sich bei Jennifer noch unerbittlicher zeigen würde, doch jetzt hatte Dean Powell Freeman kontaktiert und seine Bereitschaft signalisiert, sich auf ein Schuldeingeständnis für vorsätzlichen Mord einzulassen - keine Todesstrafe.
Powell öffnete die Arme, freundlich und entspannt. »Zum Henker, Sie wissen doch, David, daß man mit uns immer reden kann.« Er hob den Zeigefinger, um diese Aussage zu unterstreichen. »Vergeßt das nicht, Jungs - meine Tür steht offen.«
»Meine Mandantin sagt, daß sie die Tat nicht begangen hat.« Freeman blätterte in einem Heft der Zeitschrift Sports lllustrated herum, schenkte Powell so gut wie keine Aufmerksamkeit. Powells Büro war das übliche fünfundzwanzig Quadratmeter große Zimmerchen - zwei Metallschreibtische, Karteischränke, dazu ein zugeschweißtes Fenster mit reizendem Ausblick auf das neue Gefängnis, das in kaum zehn Meter Entfernung hochgezogen wurde.
Powells Zimmernachbar, Paul Bargen, war eine Tasse Kaffee trinken gegangen, damit die drei Männer ungestört waren und etwas mehr Platz hatten. »Wenn sie anbietet, sich schuldig zu bekennen, um lebenslänglich ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung zu bekommen, muß ich die Sache natürlich dem Chef vortragen. Aber ich denke, es entspricht der Fairneß, wenn ich sage, daß wir solch ein Angebot ernstlich prüfen würden. Ich habe gehört«, fuhr Powell fort, »daß Ihre Mandantin da unten in Costa Rica ihren Gedächtnisverlust überwunden hat und sich der Gnade des Gerichts überlassen möchte.«
»Ich glaube nicht, daß das stimmt.« Hardy hatte sich ursprünglich auf den zweiten Stuhl vor Bargens Schreibtisch gesetzt, aber der Stuhl hatte ein kürzeres Bein und deshalb Schlagseite, also war er wieder aufgestanden. »Ich glaube einfach nicht, daß das stimmt.«
Powell zuckte die Achseln. »Ich würde sie noch mal fragen, nur um sicherzugehen.«
Freeman hatte bei einer Reklame für Badeanzüge aufgehört weiterzublättern - er hob die Seite in Hardys Blickfeld und richtete jetzt das Wort an Powell. »Ich dachte, Sie seien auf einen Prozeß aus. Übrigens können Sie auf meine Stimme zählen.«
Powell hatte kürzlich seine Kandidatur für das Amt des Generalstaatsanwalts des Staates Kalifornien bekanntgegeben Und damit die umlaufenden Gerüchte bestätigt - jetzt fletschte er die Zähne zu seinem typischen Lächeln. Einen Augenblick lang hatte Hardy den Eindruck, Powell würde gleich aufspringen und ihnen beiden die Hand schütteln wollen. »Na, das freut mich aber ganz ungemein, David. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr.« Er warf Hardy einen Seitenblick zu, der die Arme weiterhin verschränkt hielt, keine Miene verzog und sich gegen einen der Karteischränke lehnte.
Freeman blätterte erneut um und schien einen Leitartikel zu lesen, bei dem Barry Bonds in der Schlagzeile auftauchte. Er sah nicht auf. »Und Sie sind nicht interessiert an einem Prozeß, bei dem die Todesstrafe droht? Meiner Meinung nach macht sich das in den Zeitungen doch ziemlich gut.«
»Das stimmt natürlich, David, aber ehrlich gesagt, glaube ich nicht, daß ich das nötig habe. Um ganz aufrichtig zu sein, würde ich die Zeit lieber nutzen, um Wahlkampf zu machen.«
Hardy fiel auf, daß Powell in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen »ehrlich gesagt« und »um ganz aufrichtig zu sein« eingeflochten hatte. Powell belog sie in irgendeinem Punkt -er war offensichtlich nicht der Ansicht, daß Jennifers Verurteilung so unumstößlich feststand.
Aber Freeman ließ sich nicht zum Nulltarif in die Karten schauen. Er kratzte sich übers stoppelige Kinn, blätterte in der Zeitschrift weiter und seufzte. »Das liegt ganz im Ermessen meiner Mandantin.« Jetzt endlich legte Freeman das Heft aus der Hand und sah Powell in die Augen. »Was zum Teufel hat man ihr eigentlich angetan, Dean? Sie behauptet, daß man sie da unten im Gefängnis
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