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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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vergewaltigt hat.«
    »Ich hoffe wirklich, daß das nicht stimmt, David, aber sie hätte eben nicht aus der U-Haft fliehen sollen. Das war ihre Entscheidung, ihr Risiko ...«
    »Ich hätte mir eigentlich gedacht, Sie könnten aus Mitgefühl für das, was sie durchgemacht hat, vielleicht ohne Schuldeingeständnis zumindest die Todesstrafe fallenlassen.«
    Powell verriet keinerlei Überraschung. Strategisch war dies kein schlechter Zug von Freeman - seine Mandantin war mißhandelt, vielleicht vergewaltigt worden. Freeman wußte, daß Powell Jennifer Witt besucht hatte, daß sie einem leid tun konnte im Moment. Doch Powell ließ sich all das in der Zeit, die er brauchte, um zweimal zu blinzeln, durch den Kopf gehen. »Ich kann kein Mitgefühl aufbringen für das, was sie durchgemacht hat«, sagte er. »Sie ist selbst schuld daran.«
    »Sie hat's darauf angelegt, vergewaltigt zu werden, hmh?«
    Wenn Powell irgend etwas in dieser Richtung unter welchen Umständen auch immer verlauten ließ, konnte er seine Chancen, gewählt zu werden, vergessen. »Das habe ich nicht gesagt, David, und Sie wissen das.«
    Freeman wußte das natürlich auch. Hardy war nicht zum erstenmal froh, daß er auf der Seite Freemans stand. Die Drohung, daß Freeman Powells Worte vielleicht auf irgendeinem öffentlichen Forum wiederholen würde - daß Jennifer es darauf angelegt hätte, vergewaltigt zu werden -, konnte womöglich den toten Punkt überwinden. Halb erwartete Hardy bereits, daß Powell nachgeben, den Antrag auf die Todesstrafe zurückziehen und eine normale Mordanklage anbieten würde, vielleicht sogar mit der Möglichkeit der bedingten Strafaussetzung. Wenn sich Jennifer darauf einlassen sollte, gäbe es kein Verfahren zur Klärung des Strafmaßes, und damit wäre Hardy seinen Job los. Er wartete also ab.
    Aber Powell hatte seinen Posten als ranghöchster für Mordsachen zuständige Staatsanwalt nicht fürs Schwanzeinziehen bekommen. Er lächelte unbeirrt trotz dieser verdeckten Drohung. »Ich empfinde einfach kein Mitleid mit mehrfachen Mördern, und alles, was ihr außerhalb dieses Gefängnisses oder dieses Landes zugestoßen ist, nun ja« - er spreizte die Finger - »das entzieht sich gänzlich unserer Kontrolle.«
    »Ich werde Nachforschungen anstellen, was in Costa Rica passiert ist.«
    »Das würde ich ebenfalls tun. Das erwarte ich auch von Ihnen. Lassen Sie es mich wissen, falls ich Ihnen irgendwie I helfen kann. Solches Benehmen ist unverantwortlich.«
    Zurück zur Possenreißerei und Politik. Hardy griff sich die Sports lllustrated aus Freemans Schoß und schlug sie aufs Geratewohl auf. Was immer sonst noch gesagt werden mochte, er brauchte es nicht zu hören.
    Die Ärztegruppe Yerba Buena Medical Group verfügte über einen quadratischen Block von Gebäuden eine halbe Meile vom San Francisco County General Hospital entfernt, in dem die verschiedenen Praxen untergebracht waren.
    Hardy kam um kurz nach elf an. Er war schockiert - es gab hier tatsächlich einen kostenlosen Parkplatz für Besucher, Ärzte und Patienten. In der Innenstadt, in North Beach, im Golden Gate Park, überall in San Francisco kosteten Parkplätze vier Dollar pro Stunde mit mindestens zweistündiger Parkdauer. Und einfach am Straßenrand fand man keinen Parkplatz - es waren schon Leute wegen vier Meter Bordstein erschossen worden.
    Hardy folgte den Schildern durch ein von Landschaftsgärtnern kunstvoll angelegtes Labyrinth aus Sträuchern und Weinranken und stoppte an einem aus Redwood gezimmerten Kiosk, in dem sich ein verglaster Granitsockel befand, das Ver zeichnis der Arztpraxen einschließlich eines Pfeils, der den Standort anzeigte. Mehr als vierzig Ärzte praktizierten hier. Larry Witts Name war verschwunden, vermutlich lange schon verschwunden. Es war mehr als ein halbes Jahr vergangen, seit er ermordet worden war - Hardy dachte darüber nach, daß sich das Räderwerk der Justiz noch keinen Millimeter vom Fleck bewegt hatte, was bei sechs Monaten in etwa normal war. Und es sah nicht so aus, als ob sich der Gang der Dinge beschleunigen würde.
    Jennifers Flucht hatte niemanden im Justizpalast dazu bewogen, ihr irgendwelche Gefälligkeiten zu erweisen. Sie befand sich in geschlossener U-Haft, ihre Besuchs- und Telefonprivilegien waren drastisch beschnitten worden. Sie sagte, daß sogar ihr Essen schlechter geworden sei, sofern das überhaupt denkbar wäre. Es stand nicht notwendigerweise irgendwo festgeschrieben, aber was die Praxis anging, stellten

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