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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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aus. Aber die gute Nachricht ist, daß sie jetzt voll auf unserer Linie ist, uns nicht länger irgendwelchen Schwachsinn auftischt nach dem Motto Warten-Sie-bis-Montag-und-dann-entscheide-ich-mich.«
    Hardy setzte sich aufrecht hin, pflanzte die Füße auf den Boden, schob die Schultern nach vorn. »Ich weiß nicht. Sie tut mir ziemlich leid, David.«
    Freeman wandte sich vom Fenster ab und sah Hardy unverwandt an. Er schien wenig Mitleid mit Jennifer Witt zu haben. »Warum ziehen Sie nicht los und unterhalten sich mal wieder mit ihr, wie ich es heute früh zwei Stunden lang getan habe?«
    Hardy lehnte sich im Schreibtischsessel zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Erzählen Sie schon.«
    »Sie will sich nicht schuldig bekennen. Sie will nicht zugeben, daß ihr Mann sie verprügelt hat. Sie will nicht über ihre Flucht reden, nicht sagen, wer ihr geholfen hat - damit könnte sie sich vielleicht ein bißchen Nachsicht einhandeln, irgendwas in Bewegung setzen, womit man weitersehen könnte. Aber nein, nicht mit unserem Mädel. Sie war es nicht. Ende.«
    Hardy zeigte mit dem Finger. »Also wozu die eidesstattliche Erklärung?«
    »Die hier?« Freeman ging zu Hardys Couch und nahm darauf Platz. »Das ist die von Jennifer unterschriebene Versicherung, daß ich ihr geraten habe, ihre beste Verteidigungsstrategie sei das BWS ...«
    »Battered ...?«
    »Ja, genau, das Battered-Wife-Syndrome, also die Berufung auf Notwehr infolge permanenter Mißhandlungen in der Ehe, und daß sie damit...«
    »Aber Sie glauben doch nicht...«
    »Doch, ich glaube es. Jetzt schon. Sie wird wegen der Morde verurteilt werden, also mache ich mir Gedanken, wie ich möglichst früh auf mildernde Umstände plädieren kann. Ich hab versucht, ihr das deutlich zu machen, und was kam dabei heraus?«
    »Nicht viel?«
    Freeman schüttelte den Kopf. Er würde die Nichtjuristen nie begreifen. »Ganz genau. Nichts da. Sie war es nicht, sie bekennt sich nicht schuldig.« Er griff in sein zerknautschtes Sakko, zog eine Zigarre aus der Tasche und stopfte sie sich in den Mund. »Ich hab versucht, ihr begreiflich zu machen, daß es einerlei ist, ob sie es war oder nicht. Ich kann sie unter Berufung auf das BWS freibekommen.« Er schüttelte erneut den Kopf, stand auf und ging zurück ans Fenster.
    »Vielleicht ist es aber ihr nicht einerlei?«
    »Na schön, vielleicht.« Freeman klopfte seine Taschen ab und fand eine Streichholzschachtel, trat vom Fenster zurück, zündete eines an, und hielt die Zigarre in die Flamme.
    »Wissen Sie«, sagte Hardy, »Sie sollten die Zigarre drei Zentimeter über der Flamme hin und her schwenken. Und inhalieren Sie nicht, solange Sie beim Anzünden sind.«
    Freeman starrte ihn finster durch den dicken blauen Qualm an. »Aber ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, daß sie mit der Begründung Revision einlegt, daß ich sie falsch vertreten hätte. Wenn ich weiß, daß man sie mißhandelt hat und es nicht zur Sprache bringe, dann ist das Urteil anfechtbar, und das laß ich mir weder von ihr noch von sonst wem bieten. Deshalb diese eidesstattliche Erklärung, mein Sohn.«
    »Wissen Sie denn, daß sie mißhandelt worden ist?«
    »Gibt sie es zu? Nein. Aber das ist auch egal. Es ist eine Ver teidigungsstrategie. Damit kann ich sie freibekommen, verdammt noch mal. Oder ihr zumindest die beste Chance einräumen, freizukommen.«
    »Damit gibt sie freilich auch zu, daß sie es gewesen ist.«

17
    Mrs. Nancy DiStephano hatte keine Zeit für Hardy, während sie arbeitete, aber er könne sich hinterher gerne mit ihr treffen, wenn er glaube, daß dies Jennifer helfen könnte.
    Weil er gerade dort vorbeikam und ohnehin Zeit totschlagen mußte, war Hardy kurz im Büro des Kurators Pico Mora-les im Keller des Steinhart Aquariums reingeschneit und hatte ihm gesagt, daß er fett werde und sich mehr Bewegung verschaffen, Spazierengehen, Sport treiben solle. Pico hielt dagegen, daß er überhaupt nicht fett werde - er sei in Wirklichkeit in bester Form, wenn man einmal von seinem Wahnsinnsbauch absehe. Trotzdem stand er auf.
    Die beiden spazierten auf den Wegen des japanischen Teegartens im Golden Gate Park herum, vom Aquarium aus gesehen jenseits des Geländes für Freiluftkonzerte, keine siebzig Meter Luftlinie vom Little Shamrock entfernt. Hier herrschte eine heitere, friedliche Stimmung, wenn kein großer Andrang war, und das war jetzt nicht der Fall. Riesige Karpfen schwammen faul in den künstlichen Bächen, das Wasser

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