Das Vampir-Pendel
zwischen den Bäumen. Insekten flogen. Vögel machten Jagd auf Beute, das aber hoch über Mareks Kopf, der hin und wieder einen Blick zu dem noch immer nicht richtig dunkel gewordenen Himmel warf. Er schimmerte noch in einem weicher gewordenen Rot nach, in das sich die grauen Schatten der Dämmerung geschoben hatten. Sie waren dabei, das letzte Sonnenlicht zu fressen.
Als sich Marek umdrehte, weil er die Hütte wieder betreten wollte, verließ der junge Soldat sie. Er hatte seine Uniformjacke übergestreift und das Gewehr geschultert. In der Hand hielt er etwas, das in Papier eingeschlagen worden war. Er wickelte es aus und zeigte dem Pfähler die dicke Salami.
»Möchtest du auch ein paar Scheiben?«
»Gern«
Der Soldat legte das Papier auf den Baumstumpf und die Wurst darauf.
Mit einem Messer säbelte er einige Stücke ab. Marek war mit drei dicken Scheiben zufrieden. Er aß die Wurst, die nicht nur würzig, sondern auch scharf war.
»Glaubst du daran, daß jemand in der Nacht erscheint, um uns das Blut auszusaugen?«
Milan kaute und schluckte den Rest hinunter. Erst dann gab er eine Antwort. »Ich weiß es nicht, aber ich habe mich auf die Gefühle des alten Juri immer verlassen können.«
»Du kennst ihn besser.«
»Eben, Er hat mir so etwas wie ein Zuhause gegeben. Wenn sie mich erwischen, und die haben ihre Spione überall, werde ich sofort erschossen. Wer will das schon? Da bleibe ich lieber bei ihm und versuche, ihn zu beschützen.«
»Juri sprach von seinem Tod.«
»Das macht er öfter. Er hat das Gefühl, schon längst überfällig zu sein, aber das glaube ich nicht. Der alte Juri wird sicherlich noch einige Zeit leben. Wenn er dann gestorben ist, bleibe ich in dieser Hütte. Er hat sie mir versprochen. Irgendwann wird der Krieg ja beendet sein, so daß ich mich wieder unter die Menschen trauen kann.«
»Ich wünsche es dir«, sagte Marek.
Der andere grinste. »Danke. Auch ich werde froh sein, wenn alles vorbei ist.«
»Dann lege ich mich jetzt hin.«
»Gut.«
Marek ging wieder auf die Hütte zu, die bereits einen tiefen Schatten an den Seiten warf. Noch einmal schaute er zurück. Die Welt nahm an Dunkelheit zu. Sie sah aus wie in graues Glas getaucht, das immer grauer wurde. Die ersten Sterne zeigten sich. Auch der Mond ging auf.
Es würde eine klare Nacht werden.
Marek zog die Tür hinter sich zu, schloß sie aber nicht ganz. »Du bist wieder zurück, mein Freund?«
»Ja, Juri. Ich werde dein Angebot annehmen und mich etwas hinlegen. Milan wird wachen.«
»Ja, das wird er«, seufzte der Blinde.
»Es hörte sich nicht optimistisch an.«
»Das ist es auch nicht, Marek. Ich weiß, daß Milan ein guter Mann ist. Aber um die Brut zu bekämpfen, bedarf es viel mehr, leider.«
»Ich weiß.« Marek ließ sich auf dem Fell nieder und streckte sich aus.
»Aber keine Sorge, ich werde wachen.«
»Ja, das muß auch so sein…« Er hustete so stark, daß sein Körper regelrecht geschüttelt wurde. »Und noch etwas werde ich tun, Marek. Ich werde beten.«
»Das kann nie schlecht sein…«
***
Assunga – ausgerechnet Assunga! Schoß es mir durch den Kopf, und ich dachte noch einen Schritt weiter. Wo sie erschien, war Mallmann – Dracula II – zumeist nicht weit entfernt.
Aber hier stand sie, und sie sah aus wie immer. Sie trug vor allen Dingen ihren Mantel, einen schwarzen Umhang, der mit gelbem Stoff gefüttert war. Wenn sie den Mantel schloß, war sie in der Lage, blitzartig zu verschwinden. Da löste sie sich auf und konnte an einer anderen Stelle wieder entstehen.
Sie war eine Hexe. Mallmann und sie hatten sich gefunden und bildeten ein Paar. Sie paßten zusammen, beiden ging es nur um den Vorteil, und auch Assunga konnte, wenn sie wollte, das Blut der Menschen trinken, denn sie wurde als eine Vampirhexe angesehen, wobei sie trotz allem mehr zur Hexe hin tendierte.
Furcht oder Angst mir gegenüber zeigte sie nicht. Sie war erschienen, sie kannte ihre Stärke, und sie wußte auch im ihren Vorteil, denn in ihr steckte mehr Wissen, was diesen Fall anging. Ich hatte von Mallmann nur dürftige Informationen erhalten.
Assunga hielt sich dort auf, wo die Treppe aufhörte. Ich hatte sie lange nicht mehr gesehen und wunderte mich ein wenig über den Ausdruck ihres Gesichts. Es war ziemlich bleich, aber dabei nicht nur blaß, denn auf den Wangen zeichnete sich ein bläulicher Schimmer ab. Faltenlose Haut, dunkle Haare und Augen, und ein Gefühl stand darin nicht zu lesen.
Ich ging davon aus,
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