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Das verborgene Kind

Das verborgene Kind

Titel: Das verborgene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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Aber du hast hier dein Zimmer, wenn du es willst. Das weißt du ja.«
    Als er nun über die Birchanger Bridge und aufwärts zu den Cottages fuhr, wurde ihm klar, dass diese Idee ihn zunehmend mit Aufregung erfüllte. Lottie hatte recht: Er hatte immer versucht, das Leben zu verstehen, indem er darüber schrieb; indem er es sich in Form von Geschichten neu erzählte, um damit zurechtzukommen. Sogar die Trauer um seine Mutter hatte er zu einer seltsamen, ziemlich packenden Kurzgeschichte verarbeitet, die im Literaturteil der Times veröffentlicht worden war. Es war, als sei er unfähig, auf die normale Art zu trauern, sondern müsse seinen Kummer in etwas anderes verwandeln. Und doch blieb diese vertraute, quälende Einsamkeit, unter der er schon sein Leben lang litt. Eigentlich war es sogar schlimmer als Einsamkeit; es war die Qual eines echten Verlusts und der Trennung von jemandem, der ihm lieb und unersetzlich war – nur von wem?
    An der Mautstation war niemand, daher stieg er aus, warf das Geld in den vorgesehenen Schlitz und fuhr dann weiter, hügelaufwärts auf das Cottage zu.

6. Kapitel
    D as Steinhäuschen war in eine Hügelfalte hineingebaut. Es bot einen Ausblick über die Bucht von Porlock bis zum Hurlstone Point. Da auf dem Parkplatz neben dem Cottage Julians Geländewagen und Imogens Kombi standen, war für Matts Wagen kein Platz. Er parkte am Straßenrand auf der gegenüberliegenden Seite und stieg aus. Von hier aus konnte er bis nach Bossington hinübersehen: Da lag High House mit seinen hohen, runden Kaminen, deutlich erkennbar hoch über dem Dorf; und tiefer, an dem Wasserlauf zwischen den Bäumen, erkannte er das mit roten Ziegelpfannen gedeckte Mansardendach des Sommerhauses. Das Meer war von einem weichen Perlgrau und glatt wie Eis. Ein Containerschiff, das, von Bristol kommend, durch die Flussmündung fuhr, schien wie auf Kufen über seine Oberfläche zu gleiten.
    Er drehte sich um, als Imogen die Tür öffnete und einen Finger auf die Lippen legte.
    »Rosie schläft«, erklärte sie. »Wir werden eine richtige Erwachsenenunterhaltung führen können. Komm hier herein! Jules schläft auch, ist vor dem Fernseher eingenickt. Also, erzähl mir von Nick!«
    Er setzte sich auf einen der Hocker vor der Küchentheke aus Kiefernholz, während sie den Wasserkocher einschaltete.
    »Ich weiß nicht mehr, als ich dir am Telefon gesagt habe. Sie haben Probleme, und Alice ist mit den Kindern zu ihren Eltern gefahren.«
    »Ich frage mich, ob Nick auf Abwege geraten ist.«
    Er zuckte die Achseln. Diese Art von Spekulation bereitete ihm Unbehagen.
    Sie warf ihm ein Grinsen zu. »Okay. Ich weiß, dass du nichts von einem guten Klatsch hältst. Hör mal, wir haben ein Angebot für ein Cottage in Dulverton bekommen. Hast du Lust, es morgen mit mir anzuschauen?«
    Er nickte; das würde ihm Gelegenheit geben festzustellen, ob er sich für ein paar Monate irgendwo einmieten konnte. Das war natürlich unwahrscheinlich. Die meisten Ferienhäuser waren für den Frühling und Sommer vermutlich bereits ausgebucht, und die, die noch frei waren, wären sicher teuer. Er fragte sich, ob er Im in seine neuen Pläne einweihen sollte, beschloss aber stattdessen, ihr die Fotos zu zeigen, bevor Jules aufwachte.
    »Ich muss dir was zeigen. Die hier habe ich in Mums Rosenholzschatulle gefunden.« Er nahm den zusammengefalteten braunen Umschlag aus der Jackentasche und ließ die Fotos auf die Theke gleiten. Eifrig beugte Im sich darüber.
    »Ach, wie nett! Fotos von dir, als du klein warst. Oh, und auch neuere. Ich frage mich, warum sie sie getrennt von all den anderen aufbewahrt hat.«
    Er war erleichtert darüber, dass sie kein Anzeichen von Eifersucht zeigte, weil nicht ein einziges von ihr dabei war.
    »Schau dir das hier an«, sagte sie und lachte irgendwie ungläubig. »Hey, da hattest du aber ziemlich kurze Haare. Und sieh dir das an ...«
    Er wartete, und sie warf ihm einen fragenden Blick zu.
    »Was ist los? Machst du dir Gedanken, weil sie die Bilder von den anderen getrennt hat oder weil keine von mir dabei sind?«
    Er lächelte und zuckte die Achseln. »Na ja, ein bisschen komisch ist das schon, oder? Aber es ist nicht nur das. Kommt dir irgendetwas daran merkwürdig vor?«
    Wieder sah sie ihn an und runzelte die Stirn. »Was meinst du mit merkwürdig?«
    »Ich kann es nicht genau sagen. Zuerst einmal, ja, es ist komisch, dass du auf keinem davon auftauchst. Und das hier zum Beispiel: Ich kann mich nicht an diesen Pullover

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