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Das verborgene Kind

Das verborgene Kind

Titel: Das verborgene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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geworfen, und mittendrin lag sie, drückte Bab an die Brust und lutschte am Daumen.
    »Wenn wir nicht aufpassen, schläft sie da noch ein«, meinte Imogen. »Komm, Rosie, sag Daddy Hallo. Er liest dir eine Geschichte vor.«
    »Hi, Rosie!« Jules bückte sich, um sie hochzuheben. »Was hast du nur für ein Durcheinander angerichtet. Sollen wir ein bisschen aufräumen?«
    Rosie verzog das Gesicht, als wolle sie protestieren, streckte eine Hand aus, packte eine Haarsträhne von ihm und wickelte sie um den Finger. Sie steckte den Daumen wieder in den Mund, und ihre Lider schlossen sich.
    »Sie schläft schon fast«, meinte Im. »Hör mal, leg sie doch ins Bett, und lies ihr was vor, bis ich ihr Zimmer aufgeräumt habe! Hier, gib ihr Bab, sonst macht sie Theater!«
    Er brachte Rosie, die keinen Widerstand leistete, ins Bett, deckte sie zu und gab ihr den Hasen.
    »Mit dem Hasen hast du aber einen Glücksgriff getan«, sagte er. »Komisch, dass sie ihn so ins Herz geschlossen hat und die anderen Stofftiere ignoriert, was?«
    »Hm.« Imogen kniete auf dem Boden, sortierte Spielzeuge und Bücher, sodass ihr Haar nach vorn fiel und ihr Gesicht verbarg. »Da, Jules. Lies ihr daraus vor, bis sie einschläft!«
    So setzte er sich auf den Stuhl neben dem Bettchen und las Rosie aus der Raupe Nimmersatt vor.

26. Kapitel
    V enetia trocknete sich das Haar mit einem Handtuch, sah sich in dem beschlagenen Spiegel über dem Waschbecken an und hielt inne, um den warmen Bademantel fester um sich zu ziehen. Sie schlang sich das Tuch zu einem Turban um den Kopf und bewunderte die Wirkung. Das lilafarbene Handtuch schmeichelte ihrer Haut. Durch die strengen Linien sah sie sogar ohne Make-up schön aus. Sie schenkte ihrem Spiegelbild ein Lächeln und zwinkerte sich selbst verstohlen zu. »Auf geht’s, Mädchen!«, murmelte sie und leerte ihr Weinglas. Den ganzen Tag fühlte sie sich schon ein wenig seltsam, etwas schwindlig und ziemlich zittrig, aber das lange, duftende Bad hatte ihr neue Kraft geschenkt, und der Wein hatte sie beruhigt und ihre Stimmung aufgehellt.
    In dem angrenzenden Schlafzimmer schob sie die schmalen Füße in warme Schaffell-Pantoffeln – ganz ähnlich wie Lotties Stiefel, aber nicht annähernd so klobig – und trat auf den Treppenabsatz hinaus, das Glas immer noch in der Hand. Sie würde sich noch einen kleinen Drink einschenken, überlegen, was sie zu Abend essen wollte, und sich dann das Haar föhnen. Einen Moment lang stand sie am Treppenfenster und blickte in ihren hübschen kleinen Garten hinunter, der im letzten Licht des frühen Abends lag, und dachte voller Vergnügen an den bevorstehenden Sommer und die fröhlichen Mittagessen, die sie auf dem geschützten Hof geben würde.
    Auf der obersten Stufe fühlte sie sich wieder schwindlig; sie geriet ein wenig ins Taumeln, streckte die Hände aus und zertrümmerte das Glas am Treppengeländer. Ängstlich schrie sie auf, verlor das Gleichgewicht und polterte die steile, schmale Treppe hinunter.
    Einige Zeit später schlug sie im Dunkeln die Augen auf und bemerkte sofort einen quälenden Schmerz im Fußknöchel und in dem angewinkelten Arm, auf dem sie lag. Wie kalt es war! Sie versuchte sich zu erinnern, was passiert war, und eine entsetzliche Furcht stieg in ihr auf. Vorsichtig bewegte sie sich, aber der stechende Schmerz war so heftig, dass sie aufschrie und sich nicht mehr rührte. Etwas Feuchtes, Schweres und Kaltes war um ihren Kopf gewickelt – Gesicht und Hals fühlten sich feucht an. Warum? Langsam erkannte sie um sich herum die im Halbdunkel liegende Diele, und nach und nach rückten die vorhergehenden Ereignisse in ihrem Kopf an ihren Platz. Sie hatte sich die Haare gewaschen und gebadet, und dann war sie gefallen – aber wie lange war das her? Venetia rang die Panik nieder und versuchte über den Dielenboden zu kriechen. Jede Bewegung bereitete ihr Höllenqualen, und sie musste alle paar Sekunden anhalten, um sich auszuruhen.
    Sie hörte, wie im Wohnzimmer das Telefon klingelte, biss sich auf die Lippen und weinte vor Frustration.
    »Bitte«, rief sie, »helft mir!« Dann kamen ihr erneut die Tränen angesichts ihrer Dummheit, denn niemand konnte sie hören. Sie lag still und spürte, wie die eisige Kälte sich anschlich. Vor Schmerz zusammenzuckend, bemühte sie sich, ihre kältestarren Glieder mit dem Bademantel zuzudecken. Dann lag sie reglos da und überlegte, was sie tun könnte. Selbst wenn sie es bis zur Haustür schaffte – wie sollte sie es

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