Das verborgene Lied: Roman (German Edition)
Aufmerksamkeit erregte, aber Elise kicherte begeistert. Solange sie das lustig fand, entschied er, war ihm egal, wie verrückt er sich anhörte. Nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten, kam Hannah herüber und setzte sich zu ihm, und er lächelte verlegen.
»Entschuldigung«, sagte er.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Sie klingt sehr lieb. Nicht, dass ich eine Expertin in Sachen Kinder wäre.«
»Ich auch nicht, das kannst du mir glauben. Meine Lernkurve in den letzten sechs Jahren war ungefähr so steil wie ihre.«
»Tja, ich sollte jetzt gehen. Muss morgen entsetzlich früh raus – die reizenden Leute von der Biosiegel-Zertifizierungs stelle beginnen ihre Überprüfung wohl gern im Morgengrauen.«
»Oh«, sagte Zach enttäuscht. »Das hört sich wichtig an.«
»Großer Tag.« Sie nickte. »Willst du mir erst noch dein Zimmer zeigen?« Zach zögerte und warf einen Blick zu Pete Murray hinüber, der an der Ecke der Bar, die ihrem Tisch am nächsten war, ein bereits sehr trockenes Glas polierte. Sein Gesichtsausdruck war vollkommen leer, seine Aufmerk samkeit offenbar ganz aufs Lauschen gerichtet.
»Hier entlang«, sagte Zach. Er führte sie in den Flur und zur Treppe, dann schaute er über die Schulter zurück. »Tja, jetzt ist es passiert. Ich habe das Gefühl, wenn Pete irgendetwas weiß, weiß es hier praktisch jedermann.«
»Na und?«
»Ich weiß nicht – ich hatte den Eindruck, du magst es nicht, wenn andere Leute allzu viel über deine Angelegenheiten wissen.«
»Was wissen sie denn schon? Ich mache mir keine Gedanken darum, was die von mir denken, falls du das damit meinst. Du siehst doch einigermaßen akzeptabel aus. Gepflegt. Ziemlich jung. Warum sollte ich verheimlichen wollen, dass ich dich abgeschleppt habe?«, entgegnete sie. Zach hob die Schultern, doch er freute sich.
»Na ja, wenn man es so ausdrückt …« Er öffnete die Tür zu seinem kleinen Zimmer und zuckte innerlich zusammen, weil die abgestandene Luft nach Schlaf und dem künstlichen Zitronenduft des Lufterfrischers auf dem Kleiderschrank roch. Hannah schloss die Tür hinter ihnen.
»Gemütlich«, sagte sie und ließ sich mit einem kräftigen Federn auf das mit einer Patchworkdecke abgedeckte Bett sinken.
» Du hast also mich abgeschleppt, ja?«, fragte Zach. Hannah schob die Finger unter seinen Gürtel und zog ihn aufs Bett.
»Versuch gar nicht erst so zu tun, als wäre es umgekehrt gewesen. Nicht einmal vor dir selbst.«
»Das würde ich nie wagen.« Sie liebten sich fast ohne Vorspiel, entschlossen und konzentriert. Hannah verschränkte die Füße auf seinem Rücken und bog den Oberkörper weit von ihm zurück. In Zachs Augenwinkeln tanzten schwarze Pünktchen, und während er gerade erst zu Atem kam, löste Hannah sich schon aus seinen bleiernen Gliedern, stand auf und zog ihre Jeans wieder an.
»Ich muss jetzt wirklich gehen.« Sie band sich das Haar zu einem Pferdeschwanz zurück.
»Geh noch nicht. Bleib ein bisschen. Oder die ganze Nacht.«
»Ich kann nicht, Zach. Ich muss morgen in aller Frühe zur Prüfung auf dem Hof antreten.«
»Ich bin also nur eine schnelle Nummer, ja?« Zach fuhr sich mit den Händen durchs Haar und grinste sie an.
»Aber eine überaus vergnügliche.« Hannah warf ihm einen kurzen Blick zu, beugte sich dann über ihn und küsste ihn auf den Mund.
»Bis später. Und danke – genau das habe ich gebraucht.« Sie lächelte verschmitzt, und er blieb allein zurück, noch in seinem Hemd, an dem nun lose Fäden baumelten, wo zwei der Knöpfe abgerissen waren.
»Entschuldigt sich nicht mal«, brummte er vor sich hin und fragte sich kurz, ob er denn auch genau das gebraucht hatte. Ziemlich nah dran, befand er schließlich.
Am folgenden Nachmittag machte Zach sich auf den Weg zu Dimity und fragte sich, ob sie wohl bereit wäre, sich von ihm zeichnen zu lassen. Er wollte versuchen, den Geist jugendlicher Schönheit einzufangen, der noch immer aus all ihren Falten und Runzeln hervorschimmerte, und den Ausdruck ihrer Augen, die so oft in andere Welten, andere Zeiten blickten. Doch sie war es gewöhnt, sich von Aubrey gezeichnet zu sehen, und ihre Reaktion auf Zachs Arbeit könnte den empfindlichen neuen Funken der Kreativität, den er so sorgsam hegte, erlöschen lassen. Zachs Blick schweifte den Hügel hinab, dorthin, wo Blacknowle auslief und in einer unattraktiven Häuserreihe aus den Sechzigern endete. Ein farbiger Klecks zwischen den Zaunlatten des vordersten Gartens fiel ihm
Weitere Kostenlose Bücher