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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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bin zu Hause!«, rief sie, als sie durch die Haustür trat. Sie wäre froh gewesen, wenn ihre Mutter sie gescholten hätte, denn dann hätte sie wenigstens gewusst, dass sie Dimity vermisst hatte. Doch das Haus war vollständig dunkel, und Valentina schlief tief und fest in einem Sessel. Der offene Bademantel klaffte über einem reglosen Bein auf. Lippen stift war um ihren Mund verschmiert, und neben ihr lag eine leere Flasche.
    Später, als sie sich ein Abendessen aus altbackenem Brot und Speck bereitet hatte und ihre Mutter noch immer in dem Sessel schlief, schlich Dimity sich aus dem Haus und lief zu den Coulsons. Gut versteckt in der Dunkelheit und den Johannisbeerbüschen, die nach Katzenpisse stanken, wartete sie eine Weile und spähte aus sicherer Entfernung zu den Fenstern hinüber. Als sie Wilf entdeckte, winkte sie ihm zu und bedeutete ihm herauszukommen, doch anschei nend sah er sie nicht. Eines nach dem anderen erloschen die Lichter in Wilfs Haus, und die Nacht schlang sich kalt und einsam um Dimity.

3
    Im dunklen, stillen Pub saß Zach allein in der Bar, die nur vom gespenstischen Leuchten seines Laptops erhellt wurde. Pete Murray hatte ihm freundlicherweise das Passwort zu seinem WLAN -Netzwerk gegeben, und in der Bar war die Verbindung am besten. Es war ein Uhr früh, und Ali hätte inzwischen anrufen sollen, damit er Elise eine Gutenachtgeschichte erzählen konnte. Er wurde von Minute zu Minute nervöser, gepackt von dem gleichen Lampenfieber wie damals, als sie Elise aus dem Krankenhaus mit nach Hause genommen hatten. Da hatte er das Gefühl gehabt, als seien aller Augen auf ihn gerichtet, und die Welt warte nur darauf, dass er einen Fehler machte. Ohne die Unterstützung eines Buches hatte er auf einmal keine Geschichten mehr im Kopf. Er hatte alle ihre Lieblingsgeschichten im Lauf der Jahre so oft vorgelesen, dass man glauben sollte, sie hätten sich seinem Gedächtnis eingeprägt. Aber vielleicht hatte er sie in einer Art Nebel der Langeweile gelesen, sodass die Worte von den Augen in den Mund geflossen wa ren, ohne das Hirn zu passieren. Damals, als er geglaubt hatte, dass es immer so sein würde, als er gar nicht auf den Gedanken gekommen wäre, dass sich alles über Nacht verändern könnte und er nicht in der Lage sein würde, es zu verhindern. Sieben Minuten vergingen. Er holte scharf und zornig Luft und hielt dann den Atem an. Auf einmal war er zutiefst erschöpft. Den Kopf in die Hände gestützt, dachte er an Dimity Hatcher. Daran, wie unwahrscheinlich es war, dass er der erste Aubrey-Fan sein sollte, der sie fand – zumal er sich nicht einmal richtig darum bemüht hatte.
    Als endlich der Klingelton schrillte, wirkte er in der tiefen Stille entsetzlich laut. Zach beeilte sich, den Skype-Anruf anzunehmen, und gleich darauf erschien Ali auf dem Bildschirm. Sie hatte das Haar zu einem ordentlichen Pfer deschwanz zurückgebunden und trug eine figurbetonte weiße Bluse. Elegant sah sie aus, bezaubernd. Dort drüben schien noch die Sonne durch ein nahes Fenster herein und hüllte sie in goldenes Licht. Das Bild schien aus einer anderen Welt zu kommen. In einer Ecke des Monitors konnte Zach sich selbst in einem kleinen Fenster sehen – ein blasser Geist im Licht des Monitors, mit Ringen unter den Augen und löchrigem T-Shirt. Wenn ihm nicht so elend zumute gewesen wäre, hätte er laut gelacht.
    »Zach, wie geht’s dir? Du siehst … Wo bist du denn da?«, fragte Ali und nahm eine dampfende Tasse aus einer Hand entgegen, die nur kurz ins Bild kam. Lowell war also bei ihr im Zimmer und bediente sie. Lauschte. Kein Moment unter vier Augen mehr mit seiner Frau, nicht einmal ein vertraulicher Anruf. Exfrau.
    »Ich bin in Dorset, in einem Pub. Es ist ein Uhr früh, und ich habe einen langen Tag hinter mir. Wie geht es euch? Alles in Ordnung da drüben?«
    »Ja, wunderbar. Wir leben uns schon richtig ein. Elise –sie findet es toll hier. Was machst du in Dorset? In einem Pub? Im Dunkeln?«
    »Ich sitze im Dunkeln, weil ich – den Lichtschalter nicht finden konnte. Lach nicht. Hier schlafen schon alle. Und ich bin in einem Pub, weil ich ja irgendwo unterkommen musste, und ich bin in Dorset, weil ich mein Buch fertig schreiben will.«
    »Welches Buch?« Sie runzelte die Stirn, mit den Gedanken nur halb bei der Sache. Dann pustete sie den Dampf von ihrer Tasse und nippte vorsichtig daran. Er sollte nicht mehr erwarten, dass er ihr in irgendeiner Weise wichtig war, und doch tat es jedes Mal weh,

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