Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
Die Drachen verließen ihre Stammplätze, um gemeinsam Stellung zu beziehen. Lysira und Nionan gesellten sich zu Drakonas, ebenso der alte Malfiesto, der leider diese Gelegenheit dazu nutzte, die jungen Hitzköpfe über ihre Verfehlungen zu belehren.
In diesen Strudel warf Drakonas das Bild der Menschenstadt Neubramfels. Er zeigte den Drachen die Flammen, die Zerstörung und die Sterbenden. Dann beschwor er das Bild der Drachenkrieger und führte deren Macht vor. Die Drachen sahen zu, manche voller Trauer und Entsetzen, andere ungerührt und mindestens einer mit grimmigem Frohlocken.
»Es sind keine normalen Menschen, die uns gefährlich werden«, erklärte ihnen Drakonas. » Diese Menschen sind unsere Feinde, diejenigen mit Drachenblut in den Adern und Drachenmagie im Blut. Vor nicht allzu langer Zeit hat euch allein die Vorstellung einer so wahnwitzigen Kreuzung schockiert. Jetzt wird sie von einigen befürwortet.«
»Solche Menschen können wir leichter beherrschen«, gab Mantas zu bedenken, der sich zum Anführer der Opposition aufgeschwungen hatte. »Wir haben die Menschen zu lange sich selbst überlassen. Es ist schön und gut, wenn sie einander umbringen, aber jetzt bedrohen sie uns. Maristara hat Recht. Sie brauchen Kontrolle. Sie müssen unter unsere weise Herrschaft gestellt werden. Damit wir ihnen sagen, was sie tun sollen.«
»Kein Mensch hat je getan, was er sollte«, stellte Drakonas trocken fest. »Ich sehe keinen Grund, warum sie jetzt damit anfangen sollten. Selbst die mit Drachenblut werden bald schon eigene Wege gehen. Und wie wollt ihr die dann zur Vernunft bringen? Denn sie werden euch mit euren eigenen Waffen bekämpfen!«
Wieder wurde gestritten. Die Farben flammten noch heißer auf, doch das führte nirgendwohin.
»Hört mich an!«, donnerte Drakonas. Obwohl viele ihm hasserfüllte Blicke zuwarfen, rangen sie sich dazu durch, seinen Worten zuzuhören. »Es wird noch eine Menschenstadt angegriffen und zerstört werden, genau wie Neubramfels. Wieder werden die Menschen zu Tausenden sterben.«
»Die mit den Kanonen«, meinte Mantas kühl.
Drakonas holte tief Luft, um sich zu Geduld zu zwingen. »Wir können Maristara und Anora und ihre Drachenkrieger von diesem Frevel abhalten. Wenn wir alle zusammenstehen, um die Stadt Ramsgate zu beschützen, dann …«
»Dann werden die Menschen ihre Kanonen auf uns richten und versuchen, uns damit vom Himmel zu holen«, sagte Mantas.
»Ich rede mit ihnen«, bot Drakonas an. »Sie werden es verstehen.«
»Pah! Menschen verstehen gar nichts. Sie lassen sich von ihren Ängsten beherrschen.«
»Darin sind wir uns sehr ähnlich«, gab Drakonas zurück.
Der junge Drache fauchte. »Ich sage, lasst sie sterben! Sollen die anderen Menschen doch sehen, was geschieht, wenn man es wagt, sich jenen zu widersetzen, die schon seit Jahrhunderten ihre Herren sein sollten und das auch gewesen wären, wenn wir uns nicht von fehlgeleitetem Denken hätten leiten lassen. Jetzt hörst du mir zu, Zweibeiner. Wenn du dich auf die Seite dieser Menschen stellst und versuchst, sie zu retten, dann werde ich persönlich dich daran hindern.«
»Und ich«, stimmte Litard ihm zu.
»Und ich auch«, gelobte Reyal.
Die drei Drachen erhoben sich von ihren Plätzen. Ihre Klauen kratzten über den Steinboden, und ihre Flügel zuckten. Sie lechzten danach, sich in die Luft zu schwingen.
»Die Sitzung ist noch nicht zu Ende«, warnte Drakonas.
»Oh, doch«, antwortete Mantas, dessen Kopf sich herumschlängelte, um alle Zurückbleibenden anzusehen. »Alles ist zu Ende. Du weißt es nur noch nicht.«
Die drei Drachen flogen ab. Nach kurzem Zögern folgten weitere, bis nur noch vier zurückblieben: Drakonas, Lysira, Malfiesto und Nionan.
»Das Parlament …«, setzte Lysira an.
»Es gibt kein Parlament«, seufzte Drakonas. Nicht nur den Menschen gegenüber hatte er versagt. Auch den Drachen gegenüber. Trotz allem, was Mantas sagte, wusste Drakonas das, und er trauerte um den Verlust.
»Das Drachenparlament hat sich aufgelöst.«
40
Lady lsabel verschob ihren Stickrahmen, um sich ans Feuer zu setzen. Markus war im Sessel gegenüber eingeschlafen. Sie beobachtete ihn misstrauisch, denn sie fragte sich, ob er wirklich schlief oder nur so tat. Der Mensch war blass und abgemagert. Tiefe Ringe lagen um seine Augen. Selbst im Schlaf fand er keine Ruhe, denn er zuckte immer wieder und warf den Kopf herum. Er sah krank aus. Sie lächelte zufrieden.
Das muss eine scheußliche Erfahrung
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