Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
im Stich lassen.
Ihr besorgter Blick wanderte von ihrem Mann zu ihrem Sohn. Markus hatte darauf bestanden hinauszugehen, obwohl sein linker Arm immer noch in einer Schlinge steckte und er – wie Lady lsabel sagte – leichtes Fieber hatte. Der Prinz hatte befohlen, ihm seine Rüstung zu bringen, war aber zu schwach gewesen, sie auch anzulegen.
Als Ermintrude zu ihm kam, saß er am Feuer und sah Lady lsabel beim Sticken zu. Die Königin bemerkte einen seltsamen Ausdruck im Gesicht ihres Sohnes. Er wirkte wie ein Tier in der Falle. Dieser Blick war so seltsam, dass er sie verstörte.
»Er regt sich einfach auf, weil er nicht bei seinem Vater sein kann«, sagte sie sich, während sie darüber staunte, wie Lady Isabei in solchen Zeiten die innere Größe aufbrachte, einfach weiterzusticken.
Beim Eintreten der Königin hatte lsabel ein Tuch über ihre Arbeit geworfen. Ermintrude hatte das Werk noch nie gesehen und interessierte sich auch jetzt nicht dafür.
»Wir sollen alle in den großen Saal kommen«, teilte sie den beiden mit. »Der Hauptmann meiner Garde hält das für sicherer.«
Markus saß neben Lady lsabel, die er weiterhin anstarrte. Insgeheim dachte Ermintrude, dass sie noch nie einen jungen Mann gesehen hatte, der so verliebt war. Sie betete, dass sie und ihr geliebter Mann die Hochzeit der beiden noch erleben würden. Bei diesem Gedanken traten ihr Tränen in die Augen, und sie schalt sich dafür. Erst letzte Nacht hatte sie beschlossen, dass sie solche Ängste ganz für sich behalten wollte. Um der anderen willen musste sie Stärke zeigen.
Da trat noch jemand zu der kleinen Gruppe im Saal. Fräulein Evelina brachte eine Erfrischung. Wie oder warum sie hierherkam, war der Königin ein Rätsel, hatte sie das Mädchen doch schon vor zwei Wochen fortgeschickt. Jetzt war es zu spät dafür. Immerhin benahm sie sich gut, wie die Königin zugeben musste. Evelina blieb zurückhaltend und respektvoll. Ihr Blick ging häufig zu Markus, der jedoch zu Ermintrudes Erleichterung nur Augen für lsabel hatte.
»Majestät«, begann Evelina mit einem tiefen Knicks. »Etwas Wein würde uns gut tun. Wenn Ihr gestattet, schenke ich Euch gerne ein.«
»Ja, das ist eine gute Idee, Kleines«, antwortete die Königin abgelenkt, da in diesem Moment der Ruf erscholl, dass die Drachenarmee vorrückte. Eilig lief Ermintrude zum Fenster zurück. Sie konnte Edward sehen, der hoch aufgerichtet bei den Kanonen stand.
Nie hatte sie ihn mehr geliebt als in diesem Augenblick. Mit diesem segensreichen Gefühl konnte sie den Himmel betreten, wenn der Tod käme.
Im Körper der Lady lsabel betrachtete Anora den Prinzen, der matt auf seinem Stuhl saß. Seine Augen fixierten sie voller Hass, denn er wusste, was sie plante. Er wusste, dass er gleich sterben würde, ebenso wie alle, die er liebte, sterben würden. Und ihm war klar, dass er nichts tun konnte, um sie oder sich selbst zu retten.
Er würde bei der Explosion ums Leben kommen. Alle Menschen würden sterben. Ihre Überreste würden unter Tonnen von Gestein begraben sein, wenn das Schloss einstürzte und mit ihm ein ganzer Staat auf dem Boden eines gewaltigen Kraters liegen würde. Ungeduldig wartete Anora auf Maristaras Signal.
Die Illusionsarmee würde zum Angriff blasen. Diese Illusion war eine gewaltige Leistung von Maristara. Das eigentliche Heer wartete in einigen Meilen Abstand, damit die Explosion es nicht erfasste. Die Illusionsarmee konnte keinen echten Schaden anrichten, aber das brauchte sie auch nicht. Kein Mensch würde lang genug am Leben bleiben, um zu begreifen, dass man ihn hereingelegt hatte.
Noch ein paar Sekunden, dann würde Anora mit einer Ausrede den Saal verlassen. Sie hatte sich ihren Fluchtweg zurechtgelegt. Markus hatte Lady lsabel einmal erzählt, dass es einen unterirdischen Gang gab, der aus dem Schloss auf die Wiesen vor der Stadt führte. (Auf diesem Weg hatte Drakonas Markus vor vielen Jahren einmal aus dem Schloss geschmuggelt, was Anora jedoch nicht wusste … und ohnehin nicht interessiert hätte.) Draußen würde sie endlich diesen schwächlichen Menschenkörper abschütteln und ihre eigene, mächtige Drachengestalt annehmen.
Aus den Wolken heraus würde sie die Explosion mit ansehen und sich bereithalten, damit auch wirklich nichts und niemand der Vernichtung entging.
»Jahrhundertelang werden die Menschen hierherkommen und erschauern«, sagte sie sich voller Befriedigung. »Dafür sorgen wir Drachen schon. Nie mehr wird ein Mensch auch
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