Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
Menschen entstanden sind, die Drachenmagie in sich tragen. Bei der letzten Versammlung hat Drakonas euch allen mitgeteilt, dass er eine Stadt mit dem Namen Drachenburg entdeckt hat, wo Grald und Maristara diese Menschen festhalten. Mächtige Illusionen halten diese Stadt vor Menschen wie Drachen verborgen. Überdies ist euch bekannt, ebenfalls über Drakonas, dass Grald und Maristara einen Spion im Parlament haben, der sie mit Informationen versorgt. Deshalb konnten sie jeden Drachenangriff auf Seth zur Befreiung der Menschen abwehren. Deshalb kannte Grald unsere geheimen Pläne für die Menschenfrau Melisande. Die Informationen des Spions verschafften Grald die Gelegenheit, diese Frau zu befruchten. Aus der Vereinigung erwuchs ein Sohn.«
Die Drachen rührten sich nicht. Nicht ein Schwanz zuckte, nicht ein Flügel raschelte. Nicht einmal die Höhlenwände waren so still wie die versammelten Parlamentsmitglieder.
»Ich werde euch jetzt den Namen des Verräters preisgeben«, sagte Anora.
»Drakonas!« Sein Name zischte durch die Gedanken der Anwesenden.
Anora schüttelte den Kopf.
»Du selbst«, folgerte Malfiesto. Er sprach seine Worte aus, was Drachen selten tun.
Lysira glaubte ihm ebenso wenig, wie sie den anderen geglaubt hatte, was Drakonas betraf. Diese Vorstellung war so absurd, dass sie fast aufgelacht hätte, bis sie in Anoras Augen düsteres Schuldbewusstsein, aber auch ein trotziges Glitzern wahrnahm.
»Du hast Recht«, erwiderte Anora. »Ich habe unsere Pläne an Maristara und Grald weitergegeben. Ich habe sogar den Tod von Brayard und seinem Sohn Bran gebilligt, wenn auch widerstrebend. Jetzt verdammt ihr mich, das weiß ich. Aber wenn ihr meine Gründe hört, werdet ihr mir dankbar sein.«
»Niemals!« Lysira ließ ihrer Wut und ihrer Trauer freien Lauf. Bran war ihr Bruder gewesen, Brayard ihr Vater. »Du gestehst den Mord an …«
»Schweig, Kleine!«, befahl Anora streng. »Sei still und hör mir zu.«
Aber Lysira wollte nicht schweigen. Sie wollte ihren Zorn hinausbrüllen, bis die Höhlenwände einstürzten. Mit Zähnen und Klauen und mörderischer Magie wollte sie Anora angreifen. Ja, sie würde …
»Schsch!«, warnte Drakonas. »Verrate niemandem, dass ich bei dir bin. Lass nur zu, dass meine Gedanken sich mit deinen vermischen. Halte deine Farben grau. Ich muss hören, was Anora dem Parlament erzählt, und sie darf nicht wissen, dass ich lausche.«
Lysira gehorchte. In ihrem Kopf herrschte ein solcher Aufruhr, dass ihre Farben zwar nicht unbedingt grau, aber doch so fleckig erschienen, dass nicht einmal sie selbst hätte sagen können, was sie gerade dachte.
»Ich weiß, dass dies ein Schock für dich ist, Lysira«, redete Anora weiter. »Und ich bedaure wirklich zutiefst, dass ich zu diesem Schritt gezwungen war. Bitte hör zu, was ich zu meiner Verteidigung vorzubringen habe.«
Lysira nickte kurz. Die anderen Drachen würden glauben, dass sie kaum in der Lage war, ihre Wut zu bezähmen. Das war beinahe richtig, denn tatsächlich kochte sie innerlich. Aber in die hässliche Säure mischte sich süße Wärme, weil sie wusste, dass Drakonas ihr so nahe war, dass er ihr vertraute und sich auf sie verließ. Lysira grub die Klauen in den Felsboden und wartete Anoras Worte ab.
»Seit Jahrtausenden«, begann die Ministerin, »sehen wir zu, wie die Menschheit wächst und sich immer weiter entwickelt. Wir haben uns in diese Entwicklung nicht eingemischt, sondern sogar strenge Gesetze erlassen, um eine solche Einmischung zu unterbinden. Um diese Gesetze durchzusetzen, haben wir einen von uns gebeten, sich zu opfern. Er nahm Menschengestalt an, um unter den Menschen zu leben und sich frei bewegen zu können. Auf diese Weise haben wir sie beobachtet, sie gehegt und gepflegt, ohne dass sie es wussten. Hin und wieder gab es dennoch Begegnungen, wenn ein junger Heißsporn sich vergaß und Vieh raubte oder eine Scheune in Brand setzte. Aber es blieb bei vereinzelten Übertretungen, die uns, wie ich zugeben muss, eher nützten als schadeten. Jahrhunderte hindurch haben die Menschen uns gefürchtet. Sie hatten Ehrfurcht vor uns und erzählten einander Geschichten, wie ihre Helden Drachen angegriffen und sogar erschlagen haben, doch mehr als das war es nie – Märchen, Mythen, Legenden. Kein Mensch war jemals in der Lage, einen von uns zu töten.«
Anoras Farben wurden düster vor Kummer. »Aber das wird sich ändern.«
»Was soll das heißen?«, fauchte Malfiesto verächtlich. »Dass die
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