Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
zum Krieg. Die Drachen wollen einen Angriff gegen Idlyswylde führen.«
Die Krieger unter ihnen schleuderten Pfeile, während die Frauen Gesänge anstimmten und mit den Händen kreisförmige Bewegungen beschrieben, als wollten sie den leeren Raum vor ihnen glätten. Ihre Magie formte die Luft zu konzentrischen Kreisen, hinter denen die Körper gestaltlose Flecken wurden, ein schimmerndes, unheimliches, blaulila Glänzen.
Andere Soldaten, die in regelmäßigen Abständen standen, spielten den Feind. Sie feuerten Pfeile – echte Pfeile, keine Illusionen – in die Reihen oder zogen ihre Schwerter und griffen zu Fuß an.
Die Pfeile trafen die funkelnden, wirbelnden, magischen Schilde und prallten davon ab. Wenn ein Schwert dagegenschlug, glitt es entweder ab, oder die Klinge zerbrach dem, der es schwang, unter den Händen. Schließlich erklärte der Hauptmann das Exerzieren für beendet, lobte seine Krieger und entließ sie.
»Denn«, so rief er mit hallender Stimme, »die Tage des Krieges sind nahe. Der Tag, auf den wir uns unser Leben lang vorbereitet haben, steht kurz bevor.«
»Wann marschieren wir?«, rief jemand.
»Bald«, lautete die Antwort.
Lachend und plaudernd zogen die Soldaten ab.
Das Kind machte ein ernstes Gesicht.
»Was machst du jetzt?«, wollte Nem wissen. »Markus warnen? Ihm im Kampf beistehen?«
»So einfach ist das nicht«, antwortete Drakonas. Seine Augen wirkten düster und voller Sorge. Er sah Nem an. »Weder für mich noch für dich, Drachensohn.«
Dann stand er auf. »Komm. Ich muss dir noch etwas zeigen.«
Sie wanderten durch die Tunnel bergab. Inzwischen bekam Nem ein Gefühl dafür, wo er war. In neun von zehn Fällen hätte er den richtigen Tunnel gewählt. Es gefiel ihm hier. In diesen dunklen Gängen konnte er befreit ausschreiten. Er mochte das Gefühl der Einsamkeit und die tröstliche Stille. Am liebsten wäre er hiergeblieben, womöglich für immer.
Aber sie verließen die Höhle nicht, womit Nem eigentlich gerechnet hatte. Vielmehr schlug Draka einen anderen Weg ein, der sie tiefer ins Herz des Berges hinunterführte. Hier gesellte sich das Gewicht des Berges zu der lastenden Stille. Wenn Nem diese neuen Gänge zu seiner inneren Karte hinzufügte, sah er, dass sie sich korkenzieherartig nach unten wanden.
Sie befanden sich fernab jeder Zivilisation. Fernab von der Welt. So fern, dass Nem zutiefst enttäuscht war, als er irgendwann menschliche Stimmen vernahm.
»Pst!« Das Kind fasste ihn an der Hand und drückte sie. Seine Worte waren kaum mehr als ein Hauch. »Wir sind schon ganz nahe.«
Vorsichtig zog es ihn auf einen Tunnel zu, der mit jedem Schritt heller wurde. Jetzt wurden die Stimmen deutlicher. Nem konnte Worte unterscheiden. Hier sprachen zweifelsohne Menschen.
»Was soll das alles?«, flüsterte er.
Das Kind schüttelte den Kopf und drängte ihn weiterzugehen.
Inzwischen war es ziemlich hell, doch hier schien kein Sonnenlicht. Dieses Licht war von einem reinen Weiß, das Nem wiedererkannte.
Das weiße Licht war sein eigenes, das Licht der Leere, die ihn vor dem Drachen verbarg.
Die Stimmen waren jetzt nur noch wenige Schritte entfernt. Das Mädchen blieb stehen und sah ihn an. Er konnte es ziemlich deutlich sehen – und im leuchtend weißen Licht den Schatten des rotgoldenen Drachen dahinter, der schützend die Flügel ausbreitete.
»Geh jetzt«, forderte Drakonas ihn auf. Nach einer kurzen Pause fügte er mit forschendem Blick auf Grald hinzu: »Wenn du dich vorstellen willst, nur zu. Grald wird mit Sicherheit erfahren, dass du hier warst, und ich habe keine Ahnung, wie er reagieren wird. Vielleicht bringst du dich damit in Gefahr. Es ist deine Entscheidung – Drachensohn.«
Nem warf ihm einen finsteren Blick zu. Er hasste diese Bezeichnung. All dieses geheimnisvolle Herumschleichen passte ihm ebenso wenig. Er wollte Fragen stellen, hatte aber das Gefühl, Drakonas damit in die Hände zu spielen. Nem war das Spiel leid. Er würde dem Drachen nicht diese Genugtuung geben, sondern endlich sehen, was er sehen sollte. Dann konnten sie vielleicht darüber sprechen, wie er Grald umbringen könnte.
Nach einem letzten bösen Blick drehte sich Nem um und ließ das Mädchen im Tunnel stehen. So leise, wie seine kratzenden Klauen es vermochten, glitt er zum Ende des Tunnels.
Er schaute in eine hell erleuchtete, geräumige Höhle, wo sich etwa zwanzig Leute versammelt hatten, die einem Sprecher lauschten. Von hier kamen die Menschenstimmen.
Aber Nem hatte
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