Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
eben genannt?«, unterbrach Nem.
»Was?« Herzeleid war in Gedanken bei der Armee.
»Die Welt. Du hattest einen Namen für sie.«
»Drachenvarld. In der Sprache der Menschen Drachenwelt. Hast du das noch nie gehört? Die Drachen nennen die Welt schon ewig so. Die Menschen haben wohl einen anderen Namen dafür. Sie nennen sie ›Lehm‹ oder so. Aber die kennen die Wahrheit schließlich nicht, jedenfalls noch nicht, also können wir es ihnen wohl kaum verdenken.«
»Welche Wahrheit?«
»Dass die Drachen die wahren Herrscher dieser Welt sind und immer waren. Unser Vater sagt, die Menschen sähen sich selbst als Herrscher an.« Herzeleid lachte so sehr, dass die Schuppen auf ihrem Leib im staubigen Sonnenlicht, das durch die Luftschächte herunterdrang, glitzerten und funkelten. »All das wird sich bald ändern.«
Nem hätte weitere Fragen stellen können. Er hätte alles über diese Armee herausfinden können, wann und wo sie angreifen sollte, aber das wollte er gar nicht wissen. Es war einfacher, es nicht zu wissen. Er wollte nicht darüber nachdenken, denn dann hätte er Entscheidungen treffen müssen. Herzeleid jedoch wollte darüber sprechen. Sie kehrte zu ihren Fragen zurück.
»Wir haben von unserer Armee geredet und sie mit anderen Menschenheeren verglichen. Was hältst du von ihr?«
»Das kann man nicht vergleichen«, sagte Nem kurz und bündig in der Hoffnung, dieses Gespräch zu beenden. »Menschenheere beherrschen keine Magie. Sie werden glauben, dass sie von höllischen Dämonen angegriffen werden. Sie werden laufen wie die Hasen. Oder vor Angst umkommen.«
»Das sagt unser Vater auch.« Herzeleid freute sich über die Bestätigung dessen, was man ihr erzählt hatte. »Unsere Menschen machen ihre Sache gut – für Menschen. Was natürlich daran liegt, dass sie Drachenblut in sich tragen.«
Nems Gedanken wanderten zu seiner Mutter, Melisande, und zu Bellona, der Frau, die ihn aufgezogen hatte. Seine Mutter hatte Drachenblut in sich gehabt. Deshalb hatte sie ein Monstrum wie ihn gebären können. Bellona hatte keines gehabt, jedenfalls ging er davon aus. Dennoch war sie mit Frauen wie seiner Mutter aufgewachsen, die mit Drachenmagie umgehen konnten.
»Es gibt eine Menschenarmee, die keine Angst hätte«, hörte Nem sich sagen. Sofort taten seine Worte ihm leid, aber merkwürdigerweise hatte er das Gefühl, er müsse seine Herkunft verteidigen.
»Welche? Doch nicht etwa die von Idlyswylde?«
»Nein. Die Armee des Landes Seth.«
»Oh, ja. Richtig. Aber gegen die werden wir nicht kämpfen müssen. Sie werden von einem Drachen regiert. Darum werden sie in dem bevorstehenden Feldzug unsere Verbündeten sein.«
»Sie wissen aber nicht, dass sie von einem Drachen regiert werden«, gab Nem zu bedenken.
»Natürlich wissen sie das«, erwiderte Herzeleid belustigt.
»Nein, das stimmt nicht. Meine Mutter stammt von dort, genau wie die Frau, die mich nach ihrem Tod großgezogen hat. Bellona hat mir erzählt, dass die Menschen von Seth die Drachen als Feinde ansehen. Man hat sie gelehrt, alle Drachen zu hassen und zu fürchten.«
»Aber sie schicken uns doch jeden Monat ihre stärksten männlichen Kinder, damit diese hier aufwachsen.«
»Die Babys werden im Schutz der Nacht hinausgeschmuggelt. Niemand in Seth kennt die Wahrheit – nur die Herrscherin der Drachen. Und das liegt daran, dass sie der Drache ist. Wie Grald hat sie den Körper eines Menschen gestohlen und benutzt ihn, um die Menschen in einem Irrglauben zu halten.«
»Einen Menschenkörper gestohlen! Wovon redest du nur?«
»Grald, unser Vater, der Drache, hat dasselbe getan. Er hat sich diesen riesigen Mistkerl geschnappt, den wir als Grald kennen. Wenn er sich unter Menschen bewegt, benutzt der Drache seinen Körper. Er hat ihn benutzt, um meine Mutter zu vergewaltigen und mich zu zeugen.«
»Ich glaube dir kein Wort!«, rief Herzeleid wütend. »Unser Vater würde niemals einen Menschenkörper bewohnen. Er steht über solchen Dingen. Grald ist ein Mensch, der dem Drachen dient. Ein Mensch «, betonte sie nachdrücklich.
Nem zuckte mit den Schultern. Er konnte seine Worte nicht beweisen, fand es aber interessant, dass Grald seinen Kindern nicht die Wahrheit erzählt hatte. Es ist schwierig, dich als Mensch zu zeigen, wenn du deine Kinder gelehrt hast, die Menschheit zu verachten.
Er fragte sich, was die Menschen aus Seth wohl tun würden, wenn sie die Wahrheit erfahren würden. Einmal hatte er Bellona gefragt, warum sie nicht nach
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