Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
Herr Minister?«
»Wann war sie hier?«, fragte er.
»Vor zwei Tagen.«
Er musste diese Frau finden. »Hat sie irgendetwas über sich selbst preisgegeben?«
Pau schüttelte den Kopf. »Sie hat einfach nur die Waffe gezogen, die Lampe genommen und ist verschwunden.«
Eine verstörende Entwicklung. Aber das bedeutete kein unüberwindbares Hindernis. Man würde die Frau finden können.
»Sie haben die ganze weite Reise wegen der Lampe gemacht?«, fragte Pau. »Sagen Sie mir, hat dies etwas mit dem politischen Krieg zu tun, der bald zwischen Ihnen und Minister Karl Tang ausbrechen wird?«
Die Frage überrumpelte ihn. Pau hatte China vor langer Zeit verlassen. Was intern vor sich ging, war kein Staatsgeheimnis, aber es war auch nicht allgemein bekannt – zumindest noch nicht. Daher fragte er: »Was wissen Sie darüber?«
»Ich weiß einiges«, antwortete Pau fast im Flüsterton. »Sie sind gekommen, weil Sie wussten, dass Tang die Lampe haben wollte.«
Diese Tatsache war nur in Nis Büro bekannt. Jetzt erfüllte ihn Sorge. Dieser alte Mann war weit besser informiert, als er je angenommen hatte. Aber ihm kam noch ein anderer Gedanke. »Die Frau hat die Lampe für Tang gestohlen?«
Pau schüttelte den Kopf. »Sie wollte sie für sich selbst haben.«
»Daher haben Sie zugelassen, dass sie sie mitnahm?«
»Das erschien mir besser, als sie Minister Tang auszuhändigen. Ich hatte damit gerechnet, dass er vielleicht kommen würde, und wusste ehrlich gesagt nicht recht, was ich tun sollte. Diese Frau hat das Problem gelöst.«
Ni war sehr verwirrt und versuchte, die veränderte Situation neu einzuschätzen. Pau Wen betrachtete ihn mit Augen, die gewiss schon Vieles gesehen hatten. Ni war in der Annahme gekommen, mit dem Überraschungsbesuch bei dem älteren Exchinesen hätte er leichtes Spiel. Aber die Überraschung lag offensichtlich nicht auf Paus Seite.
»Sie und Minister Tang sind die beiden Hauptkonkurrenten um das Amt des Präsidenten und Parteigeneralsekretärs«, sagte Pau. »Der gegenwärtige Amtsinhaber ist alt und nähert sich dem Ende seiner Lebenszeit. Tang oder Ni. Alle werden sich entscheiden müssen.«
»Auf welcher Seite stehen denn Sie?«
»Auf der Seite des Einzigen, was zählt, Herr Minister. Auf Chinas Seite.«
5
Kopenhagen
Malone folgte der chinesischen Botin. Sein Verdacht hatte sich bestätigt. Sie hatte kein bestimmtes Objekt erwartet, sondern einfach nur den Auftrag, das entgegenzunehmen, was er ihr gab. Zum Teufel, sie hatte sogar mit ihm geflirtet. Er fragte sich, wie viel man ihr für diesen gefährlichen Botengang zahlte. Außerdem machte er sich Gedanken darüber, wie viel Cassiopeias Entführer wusste. Die elektronische Stimme hatte es sich nicht nehmen lassen, ihm seine Erfahrung als Regierungsagent unter die Nase zu reiben – und doch hatte man ihm eine ahnungslose Amateurin geschickt.
Er behielt die Botin im Auge, während sie sich durch die Menge schob. Der Weg, den sie einschlug, würde sie zu einem zweiten Tor an der Nordgrenze des Tivoli führen. Er beobachtete sie, wie sie den Ausgang passierte, den Boulevard dahinter überquerte und in den Strøget zurückkehrte.
Mit einem Block Abstand folgte er der Dahinschlendernden.
Sie kamen an mehreren Secondhand-Buchhandlungen vorbei, deren Besitzer seine Konkurrenten und gleichzeitig seine Freunde waren, und passierten zahllose Restaurants mit Außentischen davor. Schließlich erreichten sie den Højbro Plads. Beim Café Norden, das die Ostseite des Platzes säumte, bog sie rechts ab und schlug die Richtung zum Kirchturm von Nikolaj ein, einer alten Kirche, die inzwischen als Ausstellungssaal diente. Über eine Seitenstraße entfernte sie sich wieder von Nikolaj und wandte sich zum Magasin du Nord, Skandinaviens exklusivstem Kaufhaus.
Die Straßen wimmelten von gut gelaunten Passanten.
Fünfzig Meter weiter endete der Strøget, und Autos und Busse glitten vorbei.
Sie bog erneut in eine Seitenstraße ein.
Nun entfernte sie sich vom Kaufhaus und der verkehrsreichen Straße und näherte sich dem Kanal und den verkohlten Trümmern des Museums für griechisch-römische Kultur. Letztes Jahr war es von einem Feuer zerstört und noch nicht wieder aufgebaut worden. In jener Brandnacht war Cassiopeia Vitt aufgetaucht und hatte ihm das Leben gerettet.
Nun war es an ihm, dasselbe für sie zu tun.
Hier waren weniger Passanten unterwegs.
Viele der aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammenden Gebäude mit den renovierten Fassaden
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