Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
einfach nicht unserer Tradition. Die Ärzte fanden einen russischen Text in der Nationalbibliothek und folgten seinen Anweisungen, aber sie injizierten so viel Formaldehyd, dass das Gesicht wie ein Ball anschwoll und die Ohren im rechten Winkel abstanden. Können Sie sich vorstellen, wie das ausgesehen hat? Maos Haut wurde schleimig von den Chemikalien, die ihm aus allen Poren sickerten. Ich war damals da. Ich habe es gesehen.«
Ni hatte diese Geschichte noch nie gehört.
»Man konnte das überschüssige Formaldehyd nicht absaugen, daher versuchte man, die Flüssigkeit mit Tüchern und Wattebäuschen in den Körper zurückzumassieren. Einer der Ärzte drückte zu fest zu, und ein Stück der rechten Wange brach heraus. Schließlich musste man Jacke und Hose aufschlitzen, um die Leiche bekleiden zu können.«
Ni fragte sich, warum der Generalsekretär ihm das alles erzählte.
»Aber dumm war man nicht, Herr Minister. Vor dem Einspritzen des Formaldehyds hatte man die Leiche aus Wachs nachbilden lassen.« Der alte Mann deutete mit dem Finger auf den Sarkophag. »Und das Ergebnis sehen Sie hier.«
»Das ist gar nicht Mao?«
Der Generalsekretär schüttelte den Kopf. »Mao ist weg, und zwar schon seit langem. Das hier ist nur eine Illusion.«
Malone folgte Cassiopeia und Pau Wen zum Ende des Piers. Stephanie ging an seiner Seite.
»Dir ist klar, dass das verrückt ist«, sagte er leise.
»Ivan sagt, sie schlüpfen immer wieder nach China hinein. Normalerweise von der Küste im Norden her. Aber der einzige Unterschied ist, dass die Hälfte des Fluges hier über Vietnam stattfinden wird.«
»Und jetzt soll ich mich besser fühlen?«
Sie lächelte. »Du schaffst das schon.«
Er zeigte auf Pau. »Ihn mitzunehmen ist ebenfalls verrückt.«
»Er ist euer Führer.«
»Wir haben nicht dieselben Interessen. Ich bezweifle, dass er uns eine große Hilfe sein wird.«
»Da du das weißt, sei auf alles vorbereitet.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich sollte eigentlich Bücher verkaufen.«
»Was macht deine Hüfte?«
»Tut weh.«
»Ich muss jemanden kontaktieren, bevor wir aufbrechen«, rief Cassiopeia und blieb am Ende des Piers stehen. Sie hatte ihnen berichtet, dass ein Nachbar von Lev Sokolov sich bereiterklärt hatte, als Vermittler zu fungieren. Sie brauchte also nur ein Notebook, das Stephanie ihr stellte, und eine Satellitenverbindung, für die Ivan sorgte.
Cassiopeia stellte das Notebook auf das schmale Holzgeländer des Piers und Malone hielt es fest. Er beobachtete, wie sie erst eine E-Mail-Adresse eingab und dann eine Nachricht tippte.
ICH HABE DIE GEDANKEN VON MAO GELESEN, KANN ABER SEINE BEMERKUNG ZUR EINHEIT NICHT FINDEN. KÖNNTEN SIE MIR HELFEN?
»Das ist klug«, sagte Malone.
Er wusste, dass die Chinesen das Internet zensierten und den Zugang zu Suchmaschinen, Blogs, Chatrooms und allen Sites beschränkten, die es gestatteten, sich offen auszutauschen. Außerdem setzten sie Filter ein, die alle digitalen Inhalte überprüften, die ins Land kamen oder es verließen. Sie waren dabei, ihr eigenes Intranet allein für China zu schaffen, das viel einfacher zu kontrollieren wäre. Malone hatte über dieses Unternehmen, seine immensen Kosten und seine technologischen Herausforderungen gelesen.
»Ich habe eine Ausgabe des Kleinen Roten Buches gefunden und einen Geheimcode vereinbart«, erklärte Cassiopeia. »Die Worte Maos können kein Misstrauen erregen. Die Nachbarn haben gesagt, sie würden ständig überprüfen, ob neue Nachrichten da sind.«
Worte des Vorsitzenden Mao Zedong – oder, wie man es im Westen bezeichnete, Das Kleine Rote Buch – war das auflage nstärkste Buch der Weltgeschichte. Es gab beinahe sieben Milliarden Exemplare. Früher einmal war jeder Chinese verpflichtet gewesen, eines bei sich zu tragen, und die frühen Ausgaben waren jetzt wertvolle Sammlerstücke. Malone hatte selbst vor einigen Monaten für einen seiner Kunden auf der monatlichen Bücherauktion in Roskilde ein Exemplar erstanden.
Das Notebook signalisierte mit einem Klingeln eine eintreffende Nachricht.
ES IST DIE PFLICHT DER FUNKTIONÄRE UND DER PARTEI, DEM VOLK ZU DIENEN. WENN SIE NICHT STÄNDIG DIE INTERESSEN DES VOLKES IM SINN HABEN, IST IHRE ARBEIT NUTZLOS.
Sie blickte zu Malone auf. »Das ist die falsche Antwort. Das bedeutet, dass es ein Problem gibt.«
»Könnten die Leute näher erläutern, was los ist?«, fragte Stephanie.
Cassiopeia schüttelte den Kopf. »Nicht ohne sich selbst zu
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