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Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)

Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)

Titel: Das verbotene Reich: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Berry
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nur geflüstert.
    »Sie wird unausweichlich kommen. In irgendeiner Form. Nicht wie im Westen, aber Elemente von Demokratie lassen sich nicht vermeiden. Eine neue Mittelschicht ist entstanden. Die Leute sind klug. Sie hören nicht nur auf die Regierung, sondern auch aufeinander. Vorläufig sind sie noch gefügig, aber das wird sich ändern. Guanxi muss abgeschafft werden. Es ist die Wurzel all unserer Korruptionsprobleme.«
    Das Prinzip des Guanxi , nach dem es nicht wichtig war, wa s man konnte, sondern nur, wen man kannte, führte zwangsläufig zu Unehrlichkeit. Guanxi beruhte auf Beziehungen und zwang Unternehmer, Verbindungen zur Regierung und zu Parteifunktionären zu knüpfen, damit diese ihre Ersuchen genehmigten und ihnen Begünstigungen bewilligten. Das System war so tief verwurzelt, dass es buchstäblich in die Regierung eingewoben war. Es gestattete Geld und Macht, nahtlos miteinander zu verschmelzen, ohne dass die Moral dem im Wege stand.
    Der Generalsekretär nickte. »Dieses System muss beseitigt werden. Ich habe leider keine Möglichkeit, das zu bewerkstelligen. Aber die Jugend gewinnt an Macht, das Individuum bricht sich Bahn. Maos Philosophie ist Vergangenheit.« Er hielt inne. »Zum Glück.«
    »Im Zeitalter von Twitter und SMS , Internetzugang und Handys könnte aus einem kleinen Bestechungsskandal ein Volksaufstand werden«, sagte Ni. »Ich habe mehrmals erlebt, wie das beinahe passiert wäre. Die Toleranzschwelle der Menschen für Korruption sinkt jeden Tag.«
    »Die Tage blinder Gefolgschaftstreue sind vorüber. Ich erinnere mich an ein Ereignis in meiner Jugend. Wir wollten alle unsere Liebe zu Mao zeigen und gingen daher zum Fluss. Man hatte uns berichtet, dass Mao über den Jangtsekiang geschwommen sei, und so wollten wir es ihm nachtun. Tausende junge Menschen sprangen ins Wasser. So viele, dass es keinen Platz zum Schwimmen gab. Man konnte die Arme nicht bewegen. Der Fluss war wie eine Suppe und unsere Köpfe wie Klöße, die darin schwammen.« Der alte Mann hielt inne. »An diesem Tag sind Hunderte gestorben. Unter ihnen auch meine Frau.«
    Ni wusste nicht, was er sagen sollte. Ihm war schon oft aufgefallen, dass viele Angehörige der älteren Generation sich weigerten, offen über die drei Jahrzehnte zwischen der Revolution von 1949 und Maos Tod zu reden. Es war, als hätten die Ereignisse sie zu sehr überwältigt, um nun über Schmerz und Groll sprechen zu können, und so erwähnten sie sie nur beiläufig, wie man etwa vom Wetter spricht, oder im Flüsterton, als hörte ihnen keiner zu.
    Ni hatte seine eigenen bitteren Erinnerungen. Pau Wen hatte ihn an den Tiananmen-Platz erinnert – an den 4. Juni 1989. Offensichtlich hatte er gewusst, dass Ni damals dort gewesen war.
    Ni dachte oft über diesen Tag nach, an dem sein Leben sich verändert hatte.
    »Wo ist mein Sohn?«, fragte die Frau.
    Ni konnte ihr keine Antwort geben. Er bewachte einen Abschnitt des riesigen Platzes – seine Division hatte den Auftrag, dafür zu sorgen, dass niemand von außen auf den Platz vordrang.
    Die Säuberung hatte gestern angefangen, und die meisten Demonstranten waren inzwischen verschwunden, aber die Luft stank noch immer nach ihren Exkrementen und nach Tod. Seit April waren jeden Tag weitere Leute gekommen, bis schließlich mehr als eine Million Menschen den Platz besetzt hielten. Studenten hatten die Rebellion in Gang gesetzt, aber den größten Teil der Menschenmassen hatten schließlich die Arbeitslosen gebildet, die gegen zweistellige Inflationsraten und die öffentliche Korruption protestierten. Seit einer Woche war Ni hier. Sein Kommandant hatte ihn hergeschickt, um die Aufwiegler zu beobachten, aber Ni hatte ihnen vor allem zugehört.
    »Sie müssen weggehen«, sagte er zu ihr.
    »Mein Sohn war hier. Ich muss ihn finden.«
    Sie war mittleren Alters, gut zwanzig Jahre älter als er selbst. In ihren Augen lag eine Traurigkeit, wie nur eine Mutter sie empfinden konnte. Seine eigene Mutter hätte alles für ihn riskiert. Seine beiden Eltern hatten sich über die Einkindpolitik hinweggesetzt und vier Kinder zur Welt gebracht, was eine enorme Bürde für die Familie bedeutet hatte. Er war das dritte Kind und eher eine Enttäuschung gewesen. Er hatte die Schule gehasst, schlechte Leistungen gezeigt und immer wieder Ärger gemacht. Als er die Zugangsprüfung für die Nationale Oberschule in den Sand gesetzt hatte, war klar gewesen, was aus ihm werden würde.
    Ein Soldat.
    Beim Militär hatte er eine

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