Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
denn?«
»Wozu brauchen Sie meinen Wagen?«
»Ich bin eben neugierig«, antwortete Meyer.
Schritte an der Tür. Poul Bremer kam herein, runzelte ungehalten die Stirn und sagte: »Was zum Teufel geht hier vor?«
Bressau zuckte die Schultern.
»Jetzt vernehmen sie mich.«
Jan Meyer lachte.
»Was seid ihr doch für Mimosen«, sagte er. »Wir wollen nur rauskriegen, wann Hartmann wo gewesen ist. Das ist alles. Im Grunde …«
»Haben Sie deshalb die Security-Leute nach Bressaus Wagen ausgequetscht?«
Poul Bremer war wütend. Die beiden Polizisten verstummten.
»Hier geschieht nichts ohne mein Wissen«, sagte der alte Mann. »Ich werde wohl mal wieder mit Ihrem Chef reden müssen.«
Eine Kopfbewegung.
»Machen Sie bitte die Tür von draußen zu.«
Auf dem Rückweg ins Polizeipräsidium ordnete Lund eine Fahndung nach Bressaus Wagen an. Weißer Kombi, Kennzeichen YJ 23 585.
»Die KTU soll sich den mal ansehen.«
Meyer fuhr. Nicht mehr so schnell. Keine Zigaretten. Keine Banane.
»Wenn er Nanna einundzwanzig Mal aus Lettland angerufen hätte, müsste das doch jemandem aufgefallen sein«, sagte Lund.
Meyer nickte.
»An dem kleinen Ausflug haben zehn Leute teilgenommen«, sagte er. »Sieben waren Geschäftsleute.«
»Auch jemand, der nicht zu Bremers Lager gehört?«
»Nur der eine. Jens Holck von den Gemäßigten.«
Sie erinnerte sich an den Mann in Schwarz, der auf dem Video des Fernsehreporters so eilig von Hartmanns Plakatfest verschwunden war.
»Wir brauchen seine Adresse«, sagte Lund.
Als Theis Birk Larsen zu sich kam, lag er in einem harten Stockbett in einem kleinen weißgetünchten Raum, in dem es nach abgestandenem Alkohol, Männern und Schweiß stank. Der Fußboden war mit Bettrollen und Rucksäcken übersät. Rings um ihn lagen andere. Halbnackte Männer unter dünnen Laken, schnarchend und stöhnend. Arme und Beine taten ihm weh. Überall hatte er Platzwunden und Blutergüsse. Die Tür öffnete sich. Jemand ging durch den Raum und sagte: »Aha, du bist wach.«
Das Licht ging an. Der Mann hockte sich neben das Bett. Er hatte langes weißes Haar und trug eine alte braune Strickjacke. Das zerfurchte, bärtige Gesicht eines gefallenen Heiligen.
»Wie geht’s dir?«
»Wo sind meine Sachen?«
»Du bist zusammengeschlagen worden. Die haben dir fast alles abgenommen.«
Er setzte sich halb auf. Weiter ging es nicht, weil das obere Bett so dicht über ihm war.
»Wo bin ich hier?«
»Im Asyl zum Heiligen Kreuz. Du hast in einem Hauseingang in der Skydebanegade gelegen. Ins Krankenhaus wolltest du nicht. Und auch nicht zu Hause anrufen. Deshalb haben wir dich hierher gebracht. Gebrochen hast du nichts. Das haben wir überprüft.«
Er wollte aus dem Bett steigen, aber es ging nicht.
»Du hast von deiner Tochter gesprochen.«
Wieder auf der harten Matratze. Er starrte das Eisengestell an, dachte nach, hatte Schmerzen.
»Du bist Theis Birk Larsen«, sagte der Mann. »Ein paar Männer in Vesterbro kennen dich. Ich nehme an, du hattest da einen gewissen Ruf.«
Birk Larsen wischte sich mit der Hand übers Gesicht, sah das Blut.
»Es ist okay. Bleib, wo du bist. Ich hol dir einen Teller Suppe.«
Eine letzte Anstrengung. Er hielt sich an dem Eisenrahmen fest.
»Nein, ich kann nicht bleiben.«
Auf der Bettkante. Keine Schuhe. Kein Mantel. Er sah nichts, was ihm gehörte. Nur einen lädierten Mann mittleren Alters, einstmals König des Viertels, jetzt ein alter, blutig geschlagener Idiot.
»Aber eine Nacht hier wäre das Beste für dich«, sagte der Mann.
Birk Larsen wollte sich bewegen, es gelang ihm aber nicht. Mit einem langen, gequälten Stöhnen ließ er sich zurückfallen.
»Vielleicht können wir dir helfen, Theis.«
»Nein, das kannst du nicht«, sagte er barsch.
»Vielleicht …«
»Das kannst du nicht, hab ich gesagt.«
Birk Larsens starke Hände, Abschürfungen an den Knöcheln, Blutergüsse am Handgelenk, hoben sich und zeigten auf ein Kruzifix in der Ecke.
»Du kannst mir nicht helfen, und der da auch nicht.«
Ein flüchtiger Ausdruck auf dem grauen, blutleeren Gesicht des Mannes. Nicht freundlich.
»Dann hol ich dir jetzt die Suppe«, sagte er.
Der Streit auf dem Friedhof setzte sich fort, und sie kamen zu keiner Lösung. Als sie gingen, war es schon dunkel. Lotte fuhr. Die Jungs saßen still und verängstigt auf dem Rücksitz. Pernille betrachtete die Lichter der Stadt, während sie sich durch den Samstagsverkehr schlängelten. Sie hatte seit ihrem Ausbruch auf dem
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