Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
…«
»Jens Holck hat jeden Monat persönlich Geld auf Christensens Konto überwiesen«, fuhr Meyer fort. »Nicht nur die fünftausend, die er ihm über das Rathaus hat zukommen lassen. Christensen hat ihn erpresst. Wir haben Fingerabdrücke von Holck in der Store Kongensgade gefunden. Und in seiner Wohnung das hier.«
Meyer breitete einige Fotos auf dem Tisch aus. Lund rückte ihren Stuhl näher heran. Holck mit Nanna irgendwo auf dem Land. Glücklich, verliebt. Holck lächelte. Kaum wiederzuerkennen.
»Dass sie eine Affäre hatten, ist offensichtlich. Seine Frau hat das auch bestätigt. Aber sie wusste nicht, mit wem er zusammen war. Nur dass er besessen von ihr war. Und dass sie jung war.«
Meyer kratzte sich am Kopf.
»Das wird ja immer eigens erwähnt. Wahrscheinlich war er stolz darauf.«
»Und er war glücklich«, ergänzte Lund.
Brix wirkte gelangweilt.
»Wissen wir, was er an dem Freitagabend gemacht hat?«
»Er war auf dem Plakatfest. Nanna kam später an dem Abend ins Rathaus. Wahrscheinlich, um die Schlüssel zu holen, damit sie schon mal in die Wohnung konnte.«
Lund nahm sich noch einmal die Fotos vor. Einige zeigten die beiden in Wintermänteln. Lachend. Nanna zu erwachsen wirkend für ihr Alter. Holck wie ausgewechselt. Hielt sie im Arm. Verliebt. Man sah es sofort. Eine Erinnerung vom Abend zuvor.
Die dreckige kleine Hure .
»Hat irgendjemand Holck an dem Wochenende gesehen?«, fragte Brix.
»Nein. Die Kinder waren bei seiner Exfrau, und die hat ihn nicht zu ihnen gelassen. Sie hat ihm das Leben schwergemacht, wo sie nur konnte. Kein Mensch hat ihn gesehen.«
Brix nickte.
»Und der Wagen, den wir bei Holck gefunden haben?«
»Da gibt es keinen Zweifel«, antwortete Meyer. »Mit dem wurde Christensen überfahren.«
Lund sah die Fotos durch. Holck und Nanna – ein Paar. Zwanzig Jahre auseinander. So glücklich, wie man nur sein kann.
»Was sagen Sie, Lund?«
Brix’ Frage riss sie aus ihren Gedanken. Sie warf die Fotos auf den Tisch.
»Es sieht gut aus«, antwortete sie, nicht sehr überzeugt.
»Ihr Enthusiasmus überwältigt mich.«
Sie schwieg.
»Gut gemacht.« Brix stand auf, klopfte Meyer auf die Schulter und verließ den Raum.
Nicht lange danach packte Lund zum zweiten Mal ihre Sachen. Es war jetzt Meyers Büro. Er schaute zu. Schien besorgt.
»Und was machst du jetzt?«
Sie legte die Sachen in einen Karton.
»Ich weiß es nicht. Ich muss mit Bengt reden. Und mit Mark. Wir finden schon eine Lösung.«
Meyer spielte mit seinem Polizeiauto. Stellte es wieder hin und begann mit der Zigarette in der Hand auf und ab zu gehen.
»Und du?«
»Ich? Es gibt eine Untersuchung wegen der Schießerei. Das kann Wochen dauern.«
»Das ist reine Formsache. Du hast alles richtig gemacht …«
»Warum hat dieser verdammte Idiot nicht einfach die Waffe weggeworfen? Ich hab doch wirklich versucht …«
»Meyer …«
»Was hätte ich denn tun sollen?«
Er wirkte erschüttert, verängstigt, wehrlos. Und jung, mit seinen großen Ohren und der arglosen Miene. Lund hielt inne und trat vor ihn hin.
»Du konntest nichts anderes tun. Du hattest keine Wahl.«
Aus der Nähe gesehen schimmerten seine Augen feucht. Sie fragte sich, ob er geweint hatte. Er zog an seiner Zigarette, sah sich nervös im Büro um. Sie musste daran denken, wie er im Ehrenhof gestanden und den Namen seines getöteten Kollegen betrachtet hatte. Dessen Tod hatte Spuren bei ihm hinterlassen, die er nicht abschütteln konnte.
»Gott sei Dank. Du hast mir das Leben gerettet.«
Er griff wieder nach dem Polizeiauto, schob es über den Schreibtisch. Lachte nicht, als das Blaulicht blinkte.
»Und jetzt?«, fragte er. »Der Fall ist abgeschlossen, oder?«
Ein Aschenbecher und eine Ehrenplakette wanderten in den Karton.
»Wieso fragst du?«
»Na, hör mal. Inzwischen kenn ich dich ja ein bisschen. Ich seh doch, was du denkst.«
»Was denke ich denn?«
»Sag du’s mir.«
»Ich bin einfach nur müde. Wie du. Das ist alles.«
Brix kam herein. Die Rechtsabteilung hatte entschieden. Es lag genügend Beweismaterial dafür vor, dass Holck Nanna Birk Larsens Mörder war. Meyer erklärte sich bereit, die Eltern zu informieren.
»Was ist mit Schweden, Lund?«, fragte Brix. »Gibt’s da was Neues?«
Sie hob den Karton hoch.
»Noch nicht.«
Brix kratzte sich am Ohr, schien sich unbehaglich zu fühlen.
»Ich hab da eine Flasche hervorragenden Maltwhisky in meinem Zimmer. Wenn Sie möchten … Wir sollten feiern, Sie und
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