Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Hartmann an und sagte: »Sei höflich. Bleib cool.«
Er ging einfach los. Sie rastete aus. Schlug ihm auf die Schulter und schrie: »Hey!«
Ihre Stimme hart und schrill.
»Halt den Mund und hör mir ausnahmsweise mal zu, ja? Wenn wir Eller auf unserer Seite haben, gewinnen wir. Wenn nicht, sind wir auch nur eine Minderheit, die um Brosamen von Poul Bremers Tisch bettelt. Troels …«
Er ging weiter. Ihre Hand packte ihn am blauen Revers, zog ihn ins Halbdunkel zurück.
»Verstehst du nicht? Allein kriegst du nie eine Mehrheit. Dafür hast du nicht genug Anhänger.« Sie beruhigte sich etwas. »Das lässt sich jetzt nicht ändern. Das ist eine Tatsache.«
Hartmann streckte die Hand nach dem Handy aus.
»Bleib ruhig«, sagte sie und gab es ihm.
Hartmann rief Eller an. Smalltalk, dann: »Ich hab das von dir und Bremer gehört. Tja, das ist der Lauf der Welt. Kein Grund, sich groß drüber aufzuregen.«
Er schloss die Augen und hörte zu. Sie redete von Türen, die nach wie vor offen, Angeboten, die noch nicht angenommen seien. Alles im selben eindringlichen, erwartungsvollen Tonfall.
»Es wird wohl doch kein Wahlbündnis geben«, sagte Hartmann. »Wir sollten irgendwann einmal einen Kaffee trinken gehen. Mach’s gut. Tschüs.«
Skovgaard war bleich vor Wut. Weber war verschwunden.
»Bitte sehr. War das jetzt ruhig genug?«
Der Rechtsmediziner war ein redseliger Mann mit braungebranntem Gesicht und weißem Bart. Auf dem ganzen Weg in die Leichenhalle sprach er über die Herstellung von Apfelsaft.
»Die haben gute Äpfel in Schweden. Ich geb dir das Rezept.«
»Hört sich gut an.«
Sie gingen hinein, zogen sich Handschuhe an und traten an den Tisch.
»Das ist ein ungewöhnlicher Fall«, sagte er und hob das weiße Tuch hoch.
Lund betrachtete Nanna Birk Larsens Leichnam. Er war jetzt gesäubert, aber man sah die Spuren der Obduktion.
»Das Blut in ihren Haaren war geronnen, lange bevor sie im Wasser landete. Es gibt Hämatome an den Armen und Beinen und die ganze rechte Seite entlang.«
Lund schaute hin. Fand, dass sie genug gesehen hatte.
»Komm mal hier herüber.« Er zeigte auf den rechten Oberschenkel.
»Das hatten wir doch schon alles.«
Das Bein war voller Wunden.
»Hautabschürfungen?«
»Nein. Fühl mal ihre Haut.«
Lund tat es. Es fühlte sich an wie Haut.
»Da, die rote Färbung um die Wunden herum.« Er zeigte darauf. »Die verschwindet, wenn die Leiche im Wasser liegt. Aber nach ein paar Tagen ist sie wieder da.«
Lund schüttelte den Kopf.
»Das sind wunde Stellen«, sagte er. »Das Mädchen hat auf einer rauhen Oberfläche gelegen. Einem Betonboden vielleicht.«
»So einen gibt’s im Schulkeller.«
Sie betastete die Verletzungen. Dachte an den Raum mit der blutigen Matratze und den Drogen.
»Wie lange, glaubst du, hat sie so gelegen?«
»Fünfzehn bis zwanzig Stunden.«
Lund versuchte sich vorzustellen, was das bedeutete.
»Bist du dir sicher?«
»Ja. Sie wurde viele Male vergewaltigt, in Abständen von mehreren Stunden. Aber bis jetzt haben wir keine DNA vom Täter gefunden. Er muss also ein Kondom benutzt haben. Auch unter ihren Nägeln oder sonst wo am Körper keinerlei Spuren.«
»Das Wasser?«
Er nickte.
»Hab ich auch gedacht. Aber sie lag ziemlich geschützt im Kofferraum. Sieh dir mal die Hände an.«
Er hob sie nacheinander hoch.
»Da hat jemand die Nägel geschnitten.«
Er ließ sie wieder auf das weiße Laken fallen. Lund hob sie eine nach der anderen hoch und besah sie aus der Nähe.
»In Leber und Lunge haben sich Spuren von Äther gefunden«, las er vor. »Also wurde sie betäubt. Vielleicht mehrmals. Das war alles geplant. Der hat gewusst, was er tut. Ich würde mich nicht …«
Er zögerte, als sei er sich seiner Sache nicht sicher.
»Das ist nicht mein Fachgebiet, ich würde mich aber nicht wundern, wenn du feststellen würdest, dass er das schon mal gemacht hat. Das Ganze hat … Methode.«
Lund nahm den Bericht.
»Hilft dir das weiter?«
Sie zuckte die Schultern.
»Tja«, sagte er. »Ich schick dir alles, was noch kommt. Ach …« Er lächelte. »Das Rezept für den Apfelsaft.«
Lund fuhr ins Büro zurück. Polizeichef Buchard stritt sich vor der Tür mit dem rothaarigen Anwalt. Er wollte Oliver Schandorff und Jeppe Hald nicht aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Der Anwalt drohte, unverzüglich eine richterliche Verfügung zu beantragen. Wie es schien, hatte Buchard wenig Hoffnung, hier die Oberhand zu behalten.
Eller machte die Tür
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