Das verdrehte Leben der Amélie, 3: Sommerliebe (German Edition)
müssen wir lachen.
Donnerstag, 10. August
G abriel hat mich ins Feld-Kino eingeladen. Das ist ein Feld neben dem echten Kino, auf dem auf einer großen Leinwand Filme gezeigt werden, und den Ton empfängt man über ein Radio. Scheint ganz cool zu sein. Ich würde echt gerne mit ihm da hingehen, aber ich muss unbedingt die Nachrichten gucken. Nicht, dass ich mich neuerdings dafür interessiere, aber gestern Abend wurde die Reportage über meine Schule noch nicht gesendet und ich will sehen, ob sie heute kommt.
17:59
Noch nie habe ich so gespannt auf die Nachrichten gewartet. (Ehrlich gesagt habe ich überhaupt noch nie auf die Nachrichten gewartet.) Sogar meine Großmutter ist nervös und kaut heftig auf ihrem Kaugummi.
18:00
Meine Großmutter und ich sind ganz hibbelig. In der Zusammenfassung vorab haben sie angekündigt: »Demonstration zum Erhalt einer Privatschule.« Wuhuuu!
18:17
Der Journalist interviewt Monsieur Beaulieu, der erklärt, er habe das ganze vergangene Jahr Verhandlungen geführt, um die Schule zu erhalten.
Plötzlich erinnere ich mich an das Telefonat, das ich gegen Ende des Schuljahres unbeabsichtigt belauscht habe, als ich an seinem Büro vorbeiging. Als er von »den Mädchen« gesprochen hat, meinte er also uns, die Schülerinnen seiner Schule … Wenn ich das gewusst hätte! Dann hätte ich also doch versuchen können, ihn mit meiner Mutter zu verkuppeln, F.B. loszuwerden und an die Prüfungsfragen zu kommen, was meinem Notendurchschnitt sehr zugute gekommen wäre! Upps. Konzentration auf die Nachrichten.
18:19
Ein Mädchen, das ich nicht kenne, sagt, sie wolle die Schule nicht wechseln, weil sie ihre Schule und die Lehrer so mag, und dann sieht man … mich! Das Interview geht ungefähr so:
Journalist: »Also, magst du die Schule?«
Ich: »Ich bin ein bisschen faul.«
Im Fernsehen habe ich eine riesige Nase und ein Gesicht wie ein Reh, das gegen die Windschutzscheibe geknallt ist (nicht, dass ich das schon mal gesehen hätte, aber ich stelle mir vor, wenn ein Reh gegen eine Windschutzscheibe knallt, sieht es so aus wie ich). Außerdem entdecke ich zwei Pickel, von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie habe. Ich berühre meine Wange, um zu sehen, ob sie noch da sind. In der Tat, da sind zwei Pickel. Aha.
Journalist: »Glaubst du, dass die Kürzungen im Bildungssystem deine Zukunftschancen beeinträchtigen?«
Ich: »Man kann auch auf Google alle möglichen Informationen finden und das kostet nichts.«
Außerdem sieht man, wie ich die Augen verdrehe, und das macht den Eindruck, als wäre mir meine Schule total egal, dabei habe ich in dem Moment doch nur versucht, Kat zu verstehen zu geben – die mich fassungslos ansah – dass der Journalist mich einschüchterte.
Feststellung (philosophischer Natur): Im Leben kann man Opfer ganz unterschiedlicher Kürzungen werden.
18:20
Weiter geht’s.
Journalist: »Glaubst du, die Tatsache, dass es eine Mädchenschule ist und man eine Uniform tragen muss, könnte abschreckend wirken?«
Ich: »Eine Französischstunde ist eine Französischstunde, egal ob mit oder ohne Jungs.«
18:21
Meine Großmutter dreht sich zu mir und sagt:
»Du warst echt gut! Du solltest zum Fernsehen!«
Das war der letzte offizielle Beweis, dass sie mich liebt.
Ich: »Macht der Nikotinentzug dich taubstumm? Ich habe mich total lächerlich gemacht!«
Ring! Das Telefon klingelt. Es ist Kat.
»Was sollte denn das mit Google?«
Ich: »Ich wollte einen Witz machen, aber ich habe mich verheddert … Ich wollte eigentlich sagen, dass die Erwachsenen unsere Bildung nicht einfach Google überlassen sollten, auch wenn man damit angeblich alles finden kann, was man wissen muss. Aber es ist nicht richtig rübergekommen. Versuch du doch mal, mit einer Kamera im Gesicht zu reden! He, warte mal kurz, ein Anruf auf der anderen Leitung.«
Es ist Gabriel: »Hey, echt cool, dein Interview. Aber ich habe nicht genau verstanden, was du mit Google sagen wolltest … dass es die Schule ersetzen kann?«
Ich: »Ich wollte sagen, dass die Erwachsenen unsere Bildung nicht nur dem Internet überlassen sollen. Dass die Schule wichtig ist und man eine gute Schule wie meine Schule nicht schließen sollte. Aber in der Aufregung habe ich mich schlecht ausgedrückt. Ah! Niemand versteht mich!«
Meine Großmutter: »Ich habe das so verstanden! He, Amélie, lass das Telefonieren, jetzt läuft noch eine Debatte zum Thema öffentliche Schulen und Privatschulen, das solltest du dir
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