Das verfluchte Koenigreich
lange Totenwache mit Mallory und eine zweite schlaflose Nacht an Bord der Wolkenseglerin .
Aber wie sollte sie auch schlafen, wenn sich überall die schreckliche Krankheit ausbreitete, die sie ins Elfenreich gebracht hatte?
Wie konnte sie überhaupt jemals wieder auf Schlaf hoffen …?
Als sie erwachte, war ihr Zimmer voller Schatten und sie vernahm das Prasseln des Regens.
Tania setzte sich auf und bemerkte den finsteren Wolkenhimmel. Draußen tobte ein heftiges Gewitter und der Wind drang durch das offene Fenster in ihr Zimmer. Als sie aufstand, um das Fenster zu schließen, schlug ihr der eiskalte Regen ins Gesicht.
Wieder einmal vermisste sie die Uhren im Elfenreich, denn so wusste sie nie, welche Tageszeit es war – womöglich hatte sie die halbe Nacht verschlafen.
Rasch zündete sie eine Kerze an und betrachtete ihr Spiegelbild in dem runden Spiegel über dem Waschtisch. Sie sah müde und traurig aus und die Worte ihres sterblichen Vaters fielen ihr wieder ein: Was geschieht nach dem Happy End? Sind dann alle glücklich bis an ihr Lebensende?
So hatte sie sich ein Happy End allerdings nicht vorgestellt.
Ihr Spiegelbild schüttelte den Kopf und schwieg.
Tania richtete sich auf und lauschte dem unablässig prasselnden Regen. Ansonsten war es totenstill.
Plötzlich, wie aus dem Nichts, stieg die Angst in ihr hoch: Was, wenn sie die einzige Überlebende im Palast war, alle anderen in Veraglad der Krankheit zum Opfer gefallen waren und sie von Toten umgeben war?
Entsetzt lief sie zur Tür. Die Kerze in ihrer Hand flackerte und erlosch. Mit klopfendem Herzen stand sie da und versuchte sich zu beruhigen. Schließlich ging sie zum Nachttisch zurück, wo die Streichhölzer lagen, und zündete die Kerze abermals an. Diesmal bewegte sie sich langsamer und hielt ihre Hand um die Flamme, als sie die Tür öffnete und auf den Flur hinaustrat.
Der lange Gang war von Kerzen erleuchtet, die in Kristallhaltern an den Wänden steckten. Die Kerzen hatten sich nicht von selbst angezündet – also musste noch jemand am Leben sein.
Tania hastete zum Ende des Flurs, zu der runden Galerie, von der aus man auf die Haupthalle des Palasts hinunterblicken konnte, die fünf Stockwerke unter ihr lag.
Stimmen drangen von unten herauf. Tania seufzte leise vor Erleichterung, als sie sich über das Geländer beugte und das rege Treiben im Saal unter sich bemerkte. Mehrere Leute waren dort unten versammelt – der König und Herzog Cornelius sowie einige andere Lords und Ladys aus dem königlichen Hofstaat. Alle scharten sich um einen großen, silberhaarigen Neuankömmling, dessen schwerer Umhang regennass war. Als Tania die Stimme des Fremden erkannte, gefror ihr das Blut in den Adern: Es war Lord Aldrich, der Vater Gabriel Drakes.
»Ich komme in stürmischer Nacht, Mylord Oberon«, begann Lord Aldrich von Weir, Vater des Verräters. »Sind alle hier versammelt? Der Ruf der Königin war dringlich genug – mich dünkt, es gilt schwierige Aufgaben zu bewältigen.«
»Seid gegrüßt, Lord Aldrich«, erwiderte der König. »Noch sind nicht alle Lords eingetroffen. Lady Kernow ist mit uns aus Dinsel gekommen und Lord Tristan weilt bei uns, ebenso wie Fleance von Gaidhael. Marquise Lucina und Lord Brython sind ebenfalls anwesend.«
»Und wie steht es um Graf Valentyne?«, fragte Lord Aldrich.
»Ich habe ihn, wie viele andere, in den Güldenschlaf versetzt«, erklärte der König.
»So bleibt uns nicht viel Zeit – lasst uns unverzüglich zum Konklave schreiten, ehe alles verloren ist.«
»Wir erwarten die Ankunft von Lord Herne und Lady Mornamere«, wandte Cornelius ein. »Das Konklave kann erst beginnen, wenn alle vollzählig versammelt sind.«
»So bleibt uns nur, ihnen eine schnelle Reise zu wünschen«, sagte Lord Aldrich. »Wer vertritt Graf Valentyne?«
»Prinzessin Eden, wenn sie sich freimachen kann«, sagte der König.
»Das ist gut. Indessen war ich auch nicht untätig; ich machte mir Gedanken über das Übel, das über unser Reich hereinbrach, und ließ einen Mann rufen, der das Leiden zu lindern vermag.«
Tania beugte sich vor und lauschte gebannt. Sie hatte sich inzwischen an die hochtrabende Redeweise der Elfen gewöhnt. Lord Aldrich glaubte also, jemanden gefunden zu haben, der die Krankheit bekämpfen konnte.
»Von wem sprecht Ihr«, fragte Herzog Cornelius.
»Sein Name ist Hollin – er ist ein Heiler, ein weiser und geschickter Arzt.«
»Ich habe noch nie von diesem Mann gehört«, erwiderte der Herzog.
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