Das verfluchte Koenigreich
»Woher kommt er?«
Lord Aldrich erwiderte mit einem Anflug von Schärfe in der Stimme: »Ich bürge für ihn, Herzog. Und wenn die Lords und Ladys des Hauses Aurealis öfter in den Norden zu reisen geruhten, so wäre ihnen dieser Name vielleicht nicht gänzlich unbekannt.«
»Und würde das Herzogtum Weir Reisenden ein wärmeres Willkommen bereiten«, entgegnete ein anderer Lord, »so wäre es vielleicht nicht als Hort dunkler Geheimnisse verschrien, den man lieber meidet als sucht.«
»Schweigt, Fillian«, wies ihn der König zurecht. »Weir ist unser Verbündeter.« Er wandte sich an Lord Aldrich. »Nun sprecht, Mylord, was ist mit diesem Mann?«
»Ich habe Hollin und seine Gehilfen in aller Eile hierherbeordert«, erwiderte Aldrich. »Sie reisen auf dem Seeweg, und wenn die Winde günstig sind, müssten sie morgen bei Tagesanbruch hier sein.« Er verneigte sich steif. »Es ist an Euch, Lord Oberon, Hollins Verdienste zu beurteilen. Sollte er Euch unwürdig erscheinen, so mögt ihr ihn dorthin zurückschicken, wo er herkommt.« Er legte eine Hand an seine Brust. »Doch bei meiner Ehre – ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn dieser Mann nicht fähig wäre, uns zu helfen.«
»Nun, so sei es«, sagte der König.
»Und Ihr seid sicher, dass dieser Mann die Seuche zu bekämpfen vermag?«, fragte der Herzog.
»Nichts ist sicher, ehe man es auf die Probe stellt«, erwiderte Lord Aldrich. »Doch es besteht Hoffnung, Herzog. Hollin ist ein sehr geschickter Heiler.«
»So mögen die Geister des Windes und des Meeres seine Ankunft beschleunigen«, sagte Oberon. »Doch nun kommt, Mylord, Ihr müsst müde sein nach der langen Reise – im Sternensaal stehen Trank und Speise bereit.«
Der König führte Lord Aldrich hinaus und beide verschwanden aus Tanias Blickfeld.
Tania war wie versteinert, denn das unverhoffte Erscheinen von Lord Aldrich hatte sie sehr verstört. Sie erinnerte sich noch genau, wann sie seine Stimme zum ersten Mal vernommen hatte. Es war in Caer Liel im Herzogtum Weir gewesen: Lord Aldrich hatte mit seinem Sohn gesprochen und eingewilligt, König Oberon beim Kampf gegen den Zauberkönig nicht zu unterstützen. Königin Titania hatte zwar versichert, dass Lord Aldrich kein Verräter sei, aber Tania fürchtete ihn trotzdem und traute ihm nicht über den Weg. Und nun hatte Lord Aldrich diesen seltsamen Hollin angeschleppt. Gab es wirklich einen Heiler im Elfenreich, der etwas gegen die Krankheit ausrichten konnte?
Schritte erklangen im Flur und rissen sie aus ihren Gedanken.
Es war Rathina.
»Du bist totenbleich«, sagte Rathina besorgt. »Was ist geschehen? Warum liegst du nicht im Bett? Kannst du keinen Schlaf finden?« Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. »Oder ist dir nicht wohl?«
Tania schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht krank«, versicherte sie. »Lord Aldrich ist gerade angekommen.« Sie schauderte. »Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde ihn gruselig.«
Ein düsteres Lächeln spielte um Rathinas Lippen. »Das verstehe ich gut«, murmelte sie. »Lord Weir hat etwas an sich, was einen schaudern lässt. Dennoch musst du ihn nicht fürchten – wenn unser Vater nur den geringsten Zweifel hätte, so würde er ihn umgehend aus dem Konklave ausschließen.«
»Er hat etwas von einem Heiler gesagt – einem Mann, der fähig sein soll, die Krankheit zu besiegen. Er ist bereits auf dem Weg hierher.«
»Eine frohe Kunde, fürwahr, wenn sie sich bewahrheitet«, sagte Rathina. »Doch ich werde erst aufatmen, wenn dieser Arzt hält, was er verspricht.«
Tania seufzte. »Denk nicht, dass ich ein Jammerlappen wäre, Rathina«, murmelte sie. »Aber du musst mich jetzt mal in den Arm nehmen – ich bin im Moment vollkommen durcheinander.«
Wortlos schlang Rathina ihre Arme um Tania, die den Kopf an Rathinas Schulter legte. Tania schloss die Augen. Es war ein tröstliches Gefühl, das lange, dichte Haar ihrer Elfenschwester am Gesicht zu spüren, ihren Duft einzuatmen und sich ganz ihrer Umarmung zu überlassen.
»Wahrlich, das sind schwere Zeiten für uns alle«, murmelte Rathina. »Die Krankheit trifft uns vollkommen unverhofft.«
Tania nickte. »Ja, das stimmt.« Sie richtete sich auf und löste sich aus Rathinas Umarmung. »Nur mit dem Unterschied, dass ich diejenige war, die das Ganze ins Rollen gebracht hat. Ich habe meine Eltern ins Elfenreich gebracht und so die Epidemie eingeschleppt.«
Rathina zog eine Augenbraue hoch. »Wie bitte?«, fragte sie. »Du meinst, du wärst an
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