Das Verhaengnis Thriller
amerikanischen Bistro mit einer mehr als 600 Weine umfassenden Weinkarte. Nicht zu vergessen die Nachtclubs, bei der letzten Zählung mindestens ein Dutzend, die alle um den Titel des größten, lautesten, angesagtesten konkurrierten.
Suzy fuhr an einem alten Lagerhaus vorbei, das jetzt Bricks Nightclub & Sunset Lounge beherbergte, die jüngste Attraktion der Szene. Kurz nach ihrem Umzug nach Miami war sie mit Dave einmal dort gewesen. Der Laden warb mit seiner »kinetischen Lightshow«, zu deren Geflacker Partygänger zu House, Latin und Hip-Hop tanzten, aber Dave meinte, er bevorzugte die Clubs auf der anderen Seite des Flusses, gut ein Dutzend Blocks weiter nördlich. Das Metropolis Downtown, 5000 Quadratmeter voller junger, betrunkener oder sonst wie berauschter Traumtänzer unter kreisenden bunten Spotlights und flackerndem Stroboskoplicht. Oder das Nocturnal, 2000 Quadratmeter über drei Etagen und eine Terrasse verteilt, Gesamtbaukosten grob zwölf Millionen Dollar. Und natürlich das Space, ein mehrstöckiges, höhlenartiges Labyrinth ohrenbetäubender Energie über mehrere Ebenen, wo die Tänzer Edel-Drogen konsumierten und die DJs Vinyl zu Gold spannen. Sie waren ein paar Mal dort gewesen, obwohl die Party eigentlich erst in den frühen Morgenstunden richtig losging. Aber dann hatte Dave ihr vorgeworfen, einen Kellner zu lange angestarrt zu haben, sie am Nacken gepackt und wie ein unartiges Hündchen aus dem Club gezerrt, begleitet von vereinzeltem Beifall. Alles, was irgendwie ausgeflippt war, musste schließlich ermutigt werden. Keiner war ihnen nachgelaufen, um zu sehen, ob es ihr gut ging.
Würde irgendjemand es bemerken, wenn sie einfach vom Antlitz der Erde verschwände, hatte sie sich Jahr um Jahr gefragt. Würde es irgendwen bekümmern?
Will, dachte sie und sah sein süßes Gesicht vor sich. Will würde es bemerken. Und es würde ihn bekümmern. Sie strich sich über ihre Lippen und spürte seine sanften Küsse, seine zärtlichen Berührungen.
Und das war genau das Problem, wie ihr klar wurde, als sie vor der Pawn Shop Lounge rechts am Straßenrand hielt und auf das ANKAUF VON GOLD -Schild auf der heruntergekommenen Fassade des Nachtclubs starrte, in dem früher offenbar einmal eine Pfandleihe untergebracht gewesen war. Will war zu süß, zu sanft. Seine weichen geduldigen Küsse verrieten ihr, dass er zu vorsätzlicher Gewalt nicht fähig war, dass er nie in der Lage sein würde, einen anderen Menschen zu töten.
Tom hingegen war eine ganz andere Geschichte. Gewalt war für ihn wie eine zweite Natur. Brutalität floss mühelos durch seine Adern, begleitet von gleich hohen Dosen an Wut und Selbstgerechtigkeit. Es juckte ihn förmlich, einen Streit anzufangen. Und er hatte eine Pistole.
Aber selbst wenn Suzy wusste, dass Tom keine Probleme haben würde, ein Leben auszulöschen, erkannte sie auch, dass er, um es mit Wills Worten zu sagen, ein unberechenbarer Irrer war. Bei ihm würde sie sich nie darauf verlassen können, dass er tat, was zu tun war, ohne es zu vermasseln oder eine zu hohe Gegenleistung zu verlangen.
Und sie hatte nicht vor, einen Psychopathen gegen einen anderen einzutauschen.
Damit blieb nur noch Jeff.
Mit seinem harten und zynischen Gehabe, dabei nicht ganz so clever, wie er selbst gern glaubte, war Jeff genau der Mann, den Suzy sich gewünscht hatte. Er war stolz wie ein Gockel auf seine Frauengeschichten und verzweifelt bemüht, sich zu beweisen – gegenüber Männern, gegenüber Frauen, aber vor allem gegenüber sich selbst. Jeff markierte den starken Mann und konnte den verängstigten kleinen Jungen dahinter doch nur mühsam verbergen. Und verängstigte kleine Jungen ließen sich leicht manipulieren.
Konnte sie das tun, fragte Suzy sich, während sie ein dunkelhaariges Pärchen beobachtete, das Arm in Arm vorüberschlenderte. Der Mann war mindestens einen Kopf größer und geschätzt zwanzig Jahre jünger als die Frau. Als die beiden an der Ecke stehen blieben, fasste der Mann mit einer Hand den Po der Frau, der sich deutlich unter ihrem bunten Jerseykleid abzeichnete. Die Frau legte lachend den Kopf in den Nacken, und der Mann bedeckte ihren entblößten Hals mit Küssen. Wer benutzte hier wen, fragte Suzy sich.
Sie dachte unwillkürlich an Dave und stöhnte auf.
Ja, sie konnte es tun, entschied sie in diesem Moment, ließ das Wagenfenster herunter und atmete die heiße, feuchte Luft ein. Sie konnte Jeff benutzen, Tom benutzen, Will benutzen – wenn nötig auch
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