Das verhängnisvolle Experiment
größte.«
»Krieg«, sagt der Mann nachdenklich. »Alle reden vom Krieg. Aber ich glaube nicht daran. Ich glaube nicht, daß sie einen Angriff wagen werden. Wir sind sehr stark, Professor. Und die dort drüben wissen genau, daß wir ihnen die Hölle heiß machen würden. Und wir werden noch stärker sein. Mit jedem Tag…«
»Eben deshalb«, wirft Haston ein.
»Ah, Sie glauben, daß wir…?« Der Staatssekretär blickt auf und lächelt verschmitzt. »Ja, wenn Sie das so sehen. Möglich wäre es schon. Aber wohl nicht heute und auch nicht morgen. Und übermorgen, Professor, übermorgen werden wir so stark sein, daß sie zu keinem Gegenschlag kommen. Übermorgen werden wir die Mittel haben, die uns das Überleben sichern. Unsere Technologie…«
»Bisher gibt es ein solches Mittel nicht. Und wenn man es irgendwann entdecken wird, dann wird es sich nicht um technische Kategorien handeln.«
»Man könnte schon heute mit einem einzigen Präventivschlag aller…«
Haston winkt ab. Obwohl ihm die Worte wie Hohn in den Ohren klingen, bemüht er sich, zumindest äußerlich Ruhe zu zeigen, was ihm nicht leichtfällt. Denn es verdrießt ihn über alle Maßen, daß ihm dieser Ministeriumsmensch mit Argumenten kommt, auf die höchstens noch Analphabeten hereinfallen – oder Leute, die partout nicht sehen wollen, was um sie her geschieht.
»Ammenmärchen!« sagt er scharf. »Und schlechte obendrein. Jeder, der auch nur zu annähernd logischen Schlußfolgerungen imstande ist, weiß, daß der nächste Krieg die gesamte Zivilisation, ja das gesamte Leben auf der Erde vernichten wird. Vielleicht bleiben ein paar kümmerliche Reste übrig, Kretins, keine Menschen und keine Tiere, wie sie von der Natur geschaffen worden sind; aber auch die würden innerhalb der nächsten Generationen zugrunde gehen. Tun Sie doch nicht, als glaubten Sie an das, was Sie mir hier auftischen. So, wie die Menschheit heute ist, würde sie einen Krieg nur um wenige Jahre überleben können.«
Der Mann erhebt sich. Aus schmalen Augen blickt er Haston an. »Hören Sie, Professor! Das sind Töne, die sich keiner allzu großen Beliebtheit erfreuen. Und schon gar nicht, wenn sie aus dem Mund eines unserer hoffnungsvollsten Wissenschaftler kommen. Halten Sie sich an die offiziellen Zahlen, Haston. Es gibt Berechnungen, die haarklein beweisen, daß bei einem Kräfteverhältnis von etwa vier zu drei zu unseren Gunsten mehrere Millionen unserer Leute…«
»Sie begreifen es nicht«, sagt Haston zornig. »Verstehen Sie doch, es nützt nichts, wenn ein paar Restgruppen überleben, auch nicht, wenn sie sich in irgendwelchen tief in die Erde eingelassenen Betonbunkern verschanzen. Die Erde wird unfähig sein, Leben zu tragen. Vier zu drei! Welch ein Unsinn! Was sagt denn die Größe ›vier‹ schon aus? Daß wir die Erde hundertmal vernichten könnten? Oder vielleicht gar tausendmal? Und die anderen? Die sind ja Gott sei Dank nur bis ›drei‹ gekommen, wie? Sie bringen es nur auf eine fünfundsiebzigfache Vernichtung. Oder auf eine siebenhundertfünfzigfache. Was spielt das schon für eine Rolle? So oder so sind sie schwächer als wir. Habe ich Ihre Art zu rechnen richtig verstanden? Meinen Sie wirklich, wir könnten von Glück reden, weil wir im Falle eines Krieges etwas weniger tot sein werden als die anderen? Rund fünfundzwanzig Prozent weniger tot?«
Der Mann steht immer noch, breitbeinig jetzt und mit in die Seiten gestemmten Händen. »Was wollen Sie eigentlich, Professor? Möchten Sie gegen unser System der äußeren Sicherheit zu Felde ziehen, dagegen, daß wir uns bemühen, stärker zu sein als die dort drüben? Blasen Sie etwa in das gleiche Horn wie diese Tausende von Narren auf den Straßen unserer Städte, diese vermummten Kindsköpfe, die glauben, ihre Tage in Frieden beschließen zu können, nur weil sie sich anstelle von Laserrohren Blumen an ihre bunten Klamotten hängen? Solche Paradiesvögel sind es, die sich an Märchen berauschen, nicht wir, die wir Verantwortung tragen. Erklären Sie mir, Haston, wie Sie es anstellen wollen, daß diese Welt in Frieden vor sich hin leben kann, rosarot und satt.«
Das ist die Frage, auf die er gewartet hat, auf die Frage nach dem Wie; denn er, Professor Brian Haston, er hat die Antwort gefunden. Und er weiß, daß der Mann nicht über diese Antwort lachen wird. Der hat in seinem Amt wohl längst gelernt, auch den geringsten Anzeichen nachzuspüren, die auf eine neue, vielleicht gar revolutionierende
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