Das verhaengnisvolle Rendezvous
Toupet, von dem er naiverweise annahm, es wäre sein kleines Geheimnis.
»In Atlanta sieht’s am besten aus, doch ich denke, auch Chicago und L. A. ziehen mit.« Er deutete auf den Bericht, den Natalie vor sich liegen hatte. »Ich habe mit allen gesprochen, und wir haben Mittel und Wege gefunden, damit sie uns die Hilfe zukommen lassen, die wir benötigen. Nicht jeder war begeistert, wie man sich vorstellen kann.« Mittlerweile blitzten die Gläser seiner Brille wie Diamanten, und er setzte sie wieder auf. »Die Filialleiterin in Chicago hat ihren Warenbestand verteidigt wie eine Löwenmutter ihr Junges. Erst mal hat sie sich geweigert, auch nur einen einzigen BH rauszurücken.«
Natalie verzog etwas den Mund. »So?«
»Ja. Also hab ich’s auf dich geschoben.«
Natalie lehnte sich im Stuhl zurück und grinste. »Gut so.«
»Dann hab ich ihr die doppelte Menge von dem genannt, was du eigentlich brauchst. Sie ist fast vom Hocker gefallen.« Er zwinkerte und fuhr dann fort: »Durch diesen Trick verschaffte ich mir einen Verhandlungsspielraum.«
Natalie gefiel Melvins Taktik. In den achtzehn Monaten, die sie jetzt mit Melvin zusammenarbeitete, schätzte sie ihn von Tag zu Tag mehr. Er war wirklich großartig.
»Schließlich habe ich ihr gesagt, sie soll mir wenigstens die Hälfte von dem geben, was du angefordert hast. Ich würd’s auf meine Kappe nehmen.«
»Du würdest einen Wahnsinnspolitiker abgeben, Melvin.«
»Ja, was glaubst du denn, wer ich bin? Zu feilschen war schon immer meine Stärke. Nun ist es jedenfalls so, dass du ungefähr fünfzig Prozent des Warenbestands bekommst.«
»Du bist unbezahlbar, Melvin. Deirdre?«
»Ich habe die vorgesehenen Steigerungen der Personalausgaben und der Sachausgaben durchgesehen.« Deirdre Marks wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger. Ihr Tonfall war leise mit einem leichten Mittelwest-Akzent, und ihr Verstand arbeitete so schnell und kontrolliert wie ein Hightech-Computer. »Mit den vorgesehenen Vergünstigungen, die du autorisiert hast, werden wir in die roten Zahlen kommen. Ich habe Grafiken …«
»Ich hab’s gesehen.« Während sie sich alles, was sie eben gehört hatte, noch einmal durch den Kopf gehen ließ, massierte sich Natalie den schmerzenden Nacken. »Wenn die Versicherung bezahlt, werden wir alles ersetzen können. Ich bin bereit, fürs Erste noch einmal etwas von meinem Eigenkapital zuzuschießen, meinst du, dann könnten wir’s schaffen?«
»Von einem klaren finanziellen Standpunkt aus sieht die Lage im Moment ziemlich düster aus«, warnte sie. »Zumindest, was die absehbare Zukunft anbelangt. Die Verkäufe in den ersten Jahren müssten zumindest mehr als …« Sie zuckte die Schultern, als sie Natalies wild entschlossenen Gesichtsausdruck sah. »Na, die Zahlen hast du ja.«
»Ja, und ich weiß deine Extraarbeit zu schätzen. Die Unterlagen über das Lagerhaus auf der South Sie sind komplett zerstört worden. Zum Glück hatte ich Maureen gebeten, von den meisten Papieren Fotokopien zu machen.« Sie rieb sich die Augen. »Mir ist durchaus klar, dass wir dieses Jahr keinen besonderen Profit machen können. Doch mir sind nicht schnelle Erfolge wichtig, sondern der Durchbruch auf lange Sicht. Ich beabsichtige, innerhalb von zehn Jahren an der Spitze sowohl des Groß- als auch des Einzelhandels zu stehen. Und deshalb werde ich doch nicht beim ersten Hindernis schon schlappmachen.«
Sie drehte nachdenklich an einem Knopf ihrer Kostümjacke, als der Summer ertönte. »Ja, Maureen?«
»Inspector Piasecki wünscht Sie zu sprechen, Miss Fletcher. Er hat aber keinen Termin.«
Natalie warf einen Blick in ihren Terminkalender. Fünfzehn Minuten kann er haben, entschied sie. »Wir machen später weiter«, informierte sie ihre Mitarbeiter. »Maureen, führen Sie Mr Piasecki herein.«
Ry war immer bemüht, möglichst schnell herauszufinden, ob derjenige, den er vor sich hatte, Freund war oder Feind. Er hatte sich noch nicht entschieden, welcher Kategorie Natalie Fletcher zuzuordnen war. Deshalb war er hier. Er wollte sein Bild vervollständigen und sie einmal in ihrer eigenen Umgebung erleben.
Alles war ungefähr so, wie er es sich vorgestellt hatte. Eine luxuriöse Lady in luxuriöser Umgebung. Na ja. Dicke Teppiche, viel Glas, helle, hohe Räume, am Empfang bequeme komfortable Sessel. Die Bilder an den Wänden waren zweifellos Originale, das sah er auf den ersten Blick. Und überall wucherten riesige Topfpflanzen.
Ihre Sekretärin oder
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