Das verlassene Boot am Strand
Mir gefiel weder seine Art zu sprechen noch seine Art zu schweigen; ich mochte seinen dünnen Schnurrbart nicht und auch nicht den Namen, den er sich gewählt hatte, und es ärgerte mich, wie er umherstolzierte. Es gab nichts an ihm, was mir gefallen hätte.
Meine Freundin Rosa meinte: »Du wirst dich an seinen Schnurrbart schon gewöhnen.«
»An den Schnurrbart vielleicht, aber nicht an alles andere«, antwortete ich. »Heirate du ihn doch.«
»Ich würde ihn nehmen, wenn er mich fragte«, sagte Rosa.
Als wir an diesem Abend zusammen tanzten, sagte »Steinerne Hand«: »Du hast mir von deiner Tante erzählt, die vielleicht von der Insel der blauen Delphine hierherkommt. Ich kann verstehen, daß du jetzt nicht fort willst, weil dann niemand da ist, den sie kennt. Das verstehe ich. Deshalb erwarte ich nicht von dir, daß du heute nacht mitkommst. Wenn ein Mond vorbei ist, werde ich dir Nachricht geben, wo wir sind. Dann kommst du mit deiner Tante zu uns. Ich schicke dir eine Karte, auf der unser Versteck eingezeichnet ist. «
»Ich werde es mir überlegen«, antwortete ich, aber ich wollte gar nicht wissen, wo er war und wie man dorthin gelangte.
Die fiesta war fast vorüber, und wir tanzten weiter miteinander und sprachen nur wenig.
Anita tanzte eine bamba, die ziemlich schwierig war, denn man mußte dabei einen Krug voll Wasser auf dem Kopf balancieren und mit dem Fuß ein Taschentuch vom Boden aufheben, das mit zwei Zipfeln zusammengeknotet war.
Dann tanzte Rosa mit »Steinerner Hand« einen jarabe, während alle anderen im Kreis um sie herumstanden und sangen. Rosa raffte ihre Röcke bis über die Knöchel hoch, um ein wenig mit ihren winzigen Füßen zu prahlen. Wir trommelten den Takt mit den Fersen.
Ein Junge hatte sich ein Dutzend Enteneier beschafft und sie ausgesaugt und dann mit Duftwasser gefüllt, das Rosa aus Kräutern herstellte. Nun warf er mit den duftenden Eiern nach den Mädchen, die er mochte, und sie quietschten und jagten ihn um den ganzen Hof.
»Steinerne Hand« und ich tanzten wieder schweigend miteinander.
Dann sagte er: »Ich habe dich schon oft gefragt, woher du kommst, und du gibst mir jedesmal eine andere Antwort.«
»Ich bin ein Digger-Indianer«, sagte ich. Die Diggers waren der ärmste Stamm an der ganzen Küste. Sie lebten in der Nähe von San Diego und ihren Namen hatten sie von den Gringos bekommen, weil sie sich von Wurzeln ernährten/ die sie aus dem Boden gruben.
»Eines Tages wirst du mir die Wahrheit erzählen.« Er lächelte. Sein dünner Schnurrbart verzog sich. Er war verärgert. »Eines Tages, vielleicht bevor ich sterbe.«
»Ich erzähle es dir jetzt, damit du nicht über dem Warten stirbst. Meine Mutter stammt von der Insel der blauen Delphine. Wie du schon weißt, war sie die Schwester von Karana, die immer noch dort lebt und vielleicht bald hierherkommt. Ein Schiff hat unseren Stamm an die Küste von Santa Barbara gebracht, aber es hat den Leuten hier nicht gefallen, und so sind sie weitergezogen. Auch das weißt du.
Ich weiß nicht, wohin mein Stamm gezogen ist. Meine Mutter hat vorher einen Mann aus der Mission Ventura geheiratet, und sie sind zusammen nach Pala gezogen, das viele Meilen südlich von hier liegt. «
»Ich kenne Pala«, sagte »Steinerne Hand«. »Früher besaßen die Cupeños wundervolle Jagdgründe mit Flüssen voll Fischen; mit heißen Quellen und Dampf, der aus dem Boden quoll; mit Weideland, das viele Tagesritte weit reichte; und große Herden Rinder und Pferde. Weißt du, was dann passiert ist? Ein Gringo kam und heiratete ein Mädchen, das die Mutter des Gouverneurs aufgezogen hatte.«
Ich kannte diese Geschichte, und ich wurde jedesmal wütend, wenn ich sie hörte. Ich werde noch immer wütend darüber.
»Warner, der Gringo, hat seine Frau dazu gebracht, mit der Mutter des Gouverneurs zu reden, die ihrerseits mit dem Gouverneur redete, und kaum zwei Monde später bekam Warner das Land der Cupeños, das ihnen seit Hunderten von Jahren gehörte. Der Gringo bekam fünfzehn Quadratmeilen des besten Bodens von ganz Kalifornien geschenkt. Fünfzehn Quadratmeilen, als ob es ein Teller Bohnen wäre. Weißt du, was aus den Cupeños geworden ist? Sie Wurden gezwungen, ihr Land zu verlassen und in eine Gegend zu ziehen, die sogar die Kojoten meiden.«
»Ich weiß, denn ich bin dort geboren worden, und meine
Mutter ist dort an einer Krankheit gestorben, die die Gringos ins Land gebracht haben«, sagte ich.
»Du weißt also, wovon ich
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