Das Verlies
Eingeweiden rumorte, wenn er sich nur vorstellte, gleich diesen stinkenden Haufen beseitigen zu müssen. Er trank noch einen Whiskey, sein Magen beruhigte sich allmählich. Dann holte er aus dem Bad einen Eimer mit Wasser und einen Lappen, hielt die Luft an, während er das Erbrochene aufwischte, und schüttete schließlich das Schmutzwasser auf die Wiese hinter dem Haus. Anschließend wusch Lura sich die Hände, trocknete sie ab und begab sich wieder nach unten.
»Was mach ich jetzt mit dir? Hängen lassen? Was würdest du denn machen? Ist eigentlich egal, du merkst ja eh nichts mehr … Ach nee, du fängst vielleicht an zu stinken und … Ich werd dich wohl oder übel in die Gefriertruhe packen müssen, da bleibst du wenigstens schön frisch. Zumindest für ein paar Tage.«
Er machte die Handschellen los, Mandy Preusse fiel nach vorn und schlug mit dem Gesicht auf den Boden. Lura nahm sie an beiden Händen und zog sie in den Nebenraum, wo die Gefriertruhestand. Er hob die Tote hoch und ließ sie in die fast leere Truhe fallen. »Und ich wollte dich doch wenigstens einmal ficken«, sagte er leise und mit einem seltsamen Grinsen. »Na ja, es gibt noch andere geile Weiber auf der Welt. Und dein Leben war eh beschissen genug.« Er stellte die Gefriertruhe auf die höchste Stufe, holte fünf Eimer Wasser und kippte sie über Mandy Preusse. »Bald wirst du wie Schneewittchen im gläsernen Sarg schlafen. Aber jetzt muss ich dich leider allein lassen. Tschüüüs, und schlaf gut, liebste Mandy.«
Die Wolkendecke war noch dichter geworden, die ersten dicken Tropfen fielen auf die Erde. Um kurz nach elf kam er in Schwanheim an, stellte den Porsche in die Garage und ging ins Haus. Mittlerweile goss es in Strömen.
»Ich muss aufräumen«, sagte er zu sich selbst, »diese verdammten Bullen haben ja nichts an seinem Platz gelassen. Ich mein, ich könnte auch Mutter holen, die würde es bestimmt machen, aber nee, das ist mir doch ein bisschen zu unordentlich, und außerdem bekomme ich nachher ja noch lieben Besuch.«
Er begann im Wohnzimmer, stellte die Bücher in die Regale und … Nach zwei Stunden war der größte Teil des Chaos, das die Polizei bei der Hausdurchsuchung hinterlassen hatte, beseitigt. Er war vorbereitet auf den Besuch von Wolfram, Andrea und Markus.
Samstag, 15.30 Uhr
Rolf Lura hatte nach dem Aufräumen eine Stunde auf der Couch geschlafen, während im Hintergrund leise die Sinfonie 104 von Haydn spielte. Danach telefonierte er mit seiner Mutter und bat sie, am Sonntag doch vorbeizuschauen und ihm ein wenig zur Hand zu gehen.
Als es klingelte, trat er zur Tür und öffnete sie.
»Markus, du hast doch einen Schlüssel«, sagte Lura und sah seinen Sohn liebevoll an. »Ihr braucht doch nicht zu klingeln.«
»Wir wollten nicht einfach so reinplatzen«, erwiderte Wolfram. »Darf ich vorstellen, mein Bruder Rolf, Rolf, das ist Andrea, von der ich dir erzählt habe.«
»Angenehm.« Rolf Lura reichte Andrea die Hand und lächelte sie an. »Aber jetzt kommt doch endlich rein, bei diesem Sauwetter jagt man ja keinen Hund vor die Tür. Legt ab und nehmt Platz.« Und an Markus gewandt: »Komm, wir gehen mal kurz nach oben, ich will dir etwas sagen.« Er legte einen Arm um Markus’ Schultern und ging mit ihm in den ersten Stock. Auf der Treppe rief er Wolfram und Andrea noch zu: »Wir sind gleich wieder da.«
»Markus«, begann er, nachdem er sich mit ihm auf das Bett gesetzt hatte und seine beiden Hände hielt, »ich weiß genau, was du jetzt durchmachst, und ich fühle mich absolut hilflos. Es tut mir so entsetzlich Leid, doch wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Aber ich denke, gemeinsam können wir es schaffen. Deine Mutter war keine schlechte Frau, ganz im Gegenteil, aber … Komm, sag was, bitte.«
Markus zuckte nur mit den Schultern, stumme Tränen liefen über sein Gesicht.
»Möchtest du erst einmal für eine Weile bei Wolfram bleiben?«, fragte Rolf Lura gespielt mitfühlend. »Ich hätte nichts dagegen. Und in ein paar Tagen reden wir über die Zukunft. Aber glaub mir eins, ich werde deine Mutter immer in bester Erinnerung behalten, auch wenn sie mir sehr, sehr wehgetan hat. Ich bin sicher, sie selbst wollte das alles gar nicht, es war der andere, du weißt, wen ich meine. Verstehst du das?«
Markus nickte, obwohl er seinem Vater am liebsten ins Gesicht gespuckt hätte.
»Ich dachte mir, dass du ein vernünftiger Junge bist, eben ein echter Lura. Möchtest du bei Wolfram bleiben, zumindest
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