Das verlorene Land
hier aber hatte damit überhaupt nichts zu tun.
Hier ging es um Ausrottung.
Aronson stieg ab und band sein Pferd vor dem Café fest. Eine Hand legte er auf die Pistole, die er an der Hüfte trug, mit der anderen strich er sich über den kupferroten Bart, den er sich hatte wachsen lassen. Seine Augen waren wachsam, und Miguel merkte, dass sein Gesicht eine leicht grünliche Farbe angenommen hatte.
»Adam, komm mal hier her«, rief Aronson. »Bring die Kamera mit. Sofia, du bleibst bitte zurück.«
Sofia warf ihrem Vater einen fragenden Blick zu. Warnend schüttelte er den Kopf.
»Mr. Aronson hat Recht, Sofia. Du musst dir das nicht auch noch ansehen. Auch Adam nicht. Gib uns die Kamera. Außerdem solltet ihr die Stadt auskundschaften«, fügte er leise hinzu. »Seht mal nach, ob schon jemand vor uns hier gewesen ist. Verstanden?«
Sofia und Adam nickten.
Er griff nach seinen Waffen und stieg ab. Dann band er Flossie am Dachgepäckträger eines Kombis fest.
Ein kalter Wind wirbelte Staubwolken auf und fegte Abfall durch die Gegend. Staubkörnchen brannten in seinen Augen. Ein Ampellicht, das an schwarzen Kabeln über der Kreuzung hing, schwang hin und her, und irgendwo krächzte eine Krähe. Am Himmel ballten sich graue Wolken zusammen. Ein Rudel wilder Hunde bellte in der Ferne.
»Ich frage mich, wieso nur Männer aufgehängt wurden«, sagte Aronson. »Jetzt weiß ich es. Bruder Adam, Miguel hat Recht. So etwas Grauenhaftes müsst ihr nicht sehen. Und Sofia auch nicht.«
Adam zögerte, schien angezogen zu werden von dem, was hinter dem Mauerhaufen lag, aber Miguel trat ihm in den Weg.
»Tu, was er sagt, mein Junge. Er will dir nur etwas ersparen.«
Adam sträubte sich und versuchte, einen Blick über Miguels Schulter zu erhaschen, aber dann gab er es auf. Sofia sah aus, als wollte sie absteigen, aber sie kannte ihren Vater gut genug, um zu registrieren, dass er kurz vor einem Wutausbruch stand. Sie nickte, sagte aber nichts. Adam ging auf die andere Straßenseite, um einen Schluck aus seiner Wasserflasche zu nehmen. Sofia lenkte ihr Pferd herum und folgte ihm. Er vermied es, unter den Aufgehängten hindurchzulaufen oder sie anzuschauen, stattdessen
wandte er sich den staubigen Auslagen einer Buchhandlung zu. Miguel sah ihnen nach, bis sie auf der anderen Seite angekommen waren, dann wandte er sich wieder dem Mormonen zu.
»Frauen?«, fragte er mit brüchiger Stimme.
»Und Kinder«, sagte Aronson. »Geben Sie mir mal die Kamera. Ich werde das für die Behörden in Kansas City dokumentieren. Vielleicht sollten wir nachschauen, ob wir etwas finden, um sie zu identifizieren. Papiere oder sonst irgendwas.«
Seine Stimme drückte eine vage Hoffnung aus. Er glaubte nicht ernsthaft, dass sie solche Informationen fanden, aber wenn Aronson sich mit der Suche danach beschäftigte, würde er vielleicht die nächsten Minuten überstehen, ohne allzu großen Schaden zu nehmen. Miguel wagte einen kurzen Blick ins Innere des ausgebrannten und zusammengefallenen Gebäudes und spürte, wie sich sein Herz zusammenkrampfte. Er war kein Polizist, aber an der Art, wie die Leichen übereinanderlagen, konnte er erkennen, dass sie entweder dort gekauert und Schutz gesucht oder versucht hatten, einen Ausgang in die hintere Wand des Gebäudes zu brechen. Sie hatten also noch gelebt, als das Gebäude angezündet wurde.
Er senkte seinen Blick und suchte den Straßenbelag ab. Nach wenigen Sekunden fand er, wonach er Ausschau gehalten hatte: Patronenhülsen. Eine Waffe oder mehrere waren benutzt worden, um die Frauen und Kinder in das Gebäude zu treiben. Und sehr wahrscheinlich auch, um zu verhindern, dass sie wieder herauskamen. Er hob die Messinghülsen auf und auch die Metallclips, die die Hülsen zusammengehalten hatten. Es waren längere Patronen als die, die für ein M-16 verwendet wurden, wahrscheinlich hatte es sich um ein Maschinengewehr gehandelt. Genau konnte er das nicht sagen, in solchen Dingen war er kein Experte.
Er schüttelte den Kopf, was eine banale Geste war angesichts dieser üblen Missetat, aber da es niemanden gab, an dem er seine Wut auslassen konnte, war es besser, sich zu beherrschen.
Ein Krachen und einige ausgestoßene Flüche rissen ihn aus seinen freudlosen Gedanken. Aronson war über einen verkohlten Querbalken gefallen. Die Mormonen fluchten normalerweise überhaupt nicht. Sogar unter größter Anspannung, während des Gefechts in Crockett, hatte Miguel nur einen Mann fluchen gehört, und das war
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