Das verlorene Land
Fallschirmspringer herausströmten, drehten zwei der wespenartigen Kampfhubschrauber ab und gaben wildes Maschinengewehr- und Raketenfeuer auf unsichtbare Ziele am Boden ab. Dann legte sich ihr Heli auf die Seite und nahm Kurs auf den East River, womit sie sich eilig vom Kampfgeschehen entfernten und damit aus der Gefahrenzone, hinein ins Unbekannte.
Julianne hatte das Päckchen mit den Dokumenten in ihre Schutzweste gestopft, die sie von der Hubschrauber-Crew bekommen hatte. Mit etwas Glück würden diese Papiere ihre nähere Zukunft ein wenig absichern, egal um was für Dokumente es sich überhaupt handelte. Immerhin halfen sie ihnen, aus der Falle rauszukommen, die Henry Cesky ihnen gestellt hatte.
Julianne biss die Zähne zusammen und schluckte, als sie an ihn dachte. Ihr Vater hatte sie immer davor gewarnt, sich an Unternehmungen zu beteiligen, die von billigen Gefühlen wie Rache geleitet wurden. Cesky wollte sich ganz offensichtlich dafür rächen, dass sie ihn und seine Familie in Acapulco zurückgelassen hatte. Und was bedeutete das nun für sie? Waren sie quitt? Sollte sie die Sache auf sich beruhen lassen? Oder auf Rache sinnen? Würde sie erneut das Ziel eines Racheplans werden?
Das war hier die Frage.
53
Texas, Regierungsbezirk
Miguel konnte die schleichende Angst nicht abschütteln, die ihn ergriff, als sie das Vieh aus dem kleinen Tal trieben. Immerhin war es eine begründete Angst, nicht diese schon irrationale Furcht, die ihn in Leona überkommen hatte. Jetzt hatte er ganz konkret Angst vor der Gruppe von Männern, die sie am Vortag beobachtet hatten. Er machte sich keine Illusionen darüber, was eine Begegnung mit ihnen bedeutete. Natürlich würden sie auch eine ganze Reihe von ihnen töten, womöglich ein bis zwei pro eigenem Verlust, aber sie konnten sie nicht besiegen, da gab es keinen Zweifel. Und Sofia, wenn sie denn überlebte, wäre ihnen ausgeliefert.
Aus diesem Grund stahlen sie sich noch Stunden vor dem Morgengrauen vom Pineywoods Lake davon. Da die Road Agents sehr weit im Westen waren, mussten sie keine komplizierten Tricks anwenden. Trotzdem verspürte er den Drang, seine Stimme zu senken, wenn er mit den anderen Reitern sprach oder nach den Hunden rief, die am Rand der Herde herumsprangen. Die Rinder bewegten sich mit nörgelndem Muhen voran, und Tausende von Hufen stampften über den weichen Untergrund. Hier und da hörte man Peitschen knallen oder Pfiffe. Neben ihm saß seine Tochter aufrecht im Sattel. Alles kam ihm gleichzeitig vertraut und eigenartig fremd vor in dieser verlassenen Gegend.
Da die Sonne noch nicht aufgegangen war, lag der morgendliche Nebel über allem, als sie ihren Marsch begannen.
Zunächst ging es Richtung Johnson National Grasslands und dann über die Grenze nach Oklahoma. Miguel fühlte sich benommen, er hatte nur wenig geschlafen und vorher zusammen mit Miss Jessup vier oder fünf Gläser Rotwein getrunken. Nachdem sie die erste »verkorkte« Flasche geleert hatten, hatte sie eine zweite gebracht und die Qualität als nahezu perfekt gepriesen. Ein eisgekühltes Bier wäre Miguel lieber gewesen, aber er musste zugeben, dass er den Wein ohne große Schwierigkeiten herunterbekommen hatte.
»Na, verkatert, Cowboy?«
Er drehte sich um. Trudi Jessup tauchte neben ihm auf und riss ihn aus seinen Tagträumen. Man sah, dass sie keine besonders gute Reiterin war. Tatsächlich mühte sich ihr Wallach ganz schön mit ihr ab. Aber die eigenartige »mannbivalente« Frau mit dem schrägen Humor und dem warmherzigen lauten Lachen konnte mit ihm mithalten. Die meisten Leute heutzutage kamen mit Pferden irgendwie klar, zumindest auf dem Land.
»Guten Morgen, Miss Jessup. Nein, ich bin tatsächlich kein so guter Trinker mehr wie früher«, gab er zu und tippte sich an den Hut.
»Sind wir alle nicht mehr, Miguel«, gab sie zurück.
»Oh, Papa war nie ein besonders guter Trinker«, mischte sich seine Tochter neckend ein, als sie vorbeiritt. »Kein guter Trinker, kein guter Reiter, kein guter Schütze.«
Er drohte ihr mit dem Zeigefinger, aber das war nur scherzhaft gemeint. Er war froh, dass Sofias Gemütszustand sich gebessert hatte und sie wieder Witze machte. In der Dunkelheit konnte er Miss Jessups Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber es kam ihm so vor, als würde sie ebenfalls lächeln, wenn auch mit einem Anflug von Traurigkeit.
»Früher konnte ich ein paar Flaschen ganz allein austrinken«, sagte sie. »Berufskrankheit sozusagen. Seit dem
Effekt habe
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