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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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ich ganz schön abgenommen. Seit dem letzten Jahr kam wieder ein bisschen was dazu, und ich schätze, dass es sich hierbei wohl um echte Muskeln handelt, nicht um Tischmuskeln.«
    »Tischmuskeln?«
    »Fett«, sagte Trudi. »Speck.«
    »Ah«, sagte er und wandte sich wieder den Rindern zu.
    Die Herde zog nun wie ein staubiger Strom Richtung Norden in hoffentlich sicherere Gefilde. Er sog den Duft der Blumen ein, der sich mit dem Gestank der Tiere vermischte. Ein leichter Nieselregen hing in der Luft. Wie genau das Wetter werden würde, war unklar. Wetterberichte gab es kaum noch. Die meisten texanischen Radiostationen waren hier nicht mehr zu empfangen, und die Stationen außerhalb von Texas sagten nur das Wetter für Seattle oder Kansas City voraus, was ihnen hier auch nicht weiterhalf. Die Batterien für die Transistorradios, die sie noch hatten, waren sehr kostbar, und niemand hatte Lust, den Blödsinn anzuhören, den Gouverneur Blackstone von Fort Hood aus verbreiten ließ.
    Miguel entspannte sich in seinem Sattel und atmete aus. Er hatte gar nicht gemerkt, wie er die Luft angehalten hatte. Bald würden sich die ersten Strahlen der morgendlichen Sonne ihren Weg durch den Nebel bahnen und den frostigen Tau aufsaugen. Mit jeder Minute, die verging, fühlte er sich besser, auch wenn sie noch so viele Kilometer vor sich hatten.
    »Na, was grübelst du so vor dich hin?«, fragte Trudi Jessup.
    »Entschuldige, dass ich so still bin«, sagte Miguel. »Sag mal, Miss Jessup, was hast du eigentlich so gemacht? Im letzten Jahr, meine ich. Wie bist du nach Texas gelangt, wieso wurdest du von diesen Road Agents gefangen?«
    Kaum hatte er die Frage gestellt, bereute er sie auch schon. Bestimmt war er damit zu weit gegangen und zu
neugierig gewesen. Was ging ihn das persönliche Schicksal von anderen Menschen an? Aber Trudi Jessup schien überhaupt nicht verstimmt zu sein.
    Sie hob die Schultern.
    »Also, zunächst mal Folgendes: Ich heiße Trudi. Vergiss das nicht. Und zweitens: Ich habe für die Regierung in Seattle gearbeitet, wie viele andere auch. Dachte ich jedenfalls. Bevor ich für Zeitschriften geschrieben habe, habe ich in Restaurants gearbeitet und Catering gemacht. Vieles davon ist einfach nur Logistik. Man muss wissen, wie viel Essen man besorgen muss, vorhersehen, wie die Nachfrage sein wird, Bestellungen aufgeben und den Transport organisieren. Einiges davon wirst du sicherlich kennen, wenn du mal für McDonald’s gearbeitet hast.«
    Tatsächlich hatte er nur Rinderherden in Mexiko beaufsichtigt, die das Fleisch für die Fastfood-Kette lieferten. Viel mehr wusste er nicht über die Organisation dieses Geschäfts. Wenn die Rinder erst mal abgeliefert waren, dann hatte er nichts mehr damit zu tun. Und woher die ganzen Pommes frites und Äpfel für den Nachtisch kamen und wo das alles hinmusste, war ihm kein Begriff. Zwar hatte er dunkle Gerüchte gehört über die schmierige und klebrige Füllung der Apfeltaschen von McDonald’s und dass da überhaupt keine Äpfel drin waren, sondern irgendein Rübensirup, aber er hatte diese Gerüchte für Unsinn gehalten. Nur dass ein derartiger Unsinn nicht auszurotten war. Sogar in Australien wurde noch über die Qualität der Apfeltaschen diskutiert, als würden sie aus geheimen Pflanzenextrakten und mit Hilfe bösartiger chemischer Tricks hergestellt. Als er mit seiner Familie – die Erinnerung traf ihn erneut wie ein Messerstich in der Brust – auf dem Weg nach Amerika durch Sydney gekommen war, hatten sie ihr letztes australisches Geld in einer McDonald’s-Filiale in der Nähe des Hafens ausgegeben. Miguel könnte schwören, dass die Apfeltaschen dort eindeutig nach
Äpfeln geschmeckt hatten. Zucker war natürlich auch drin gewesen.
    »Nun«, fuhr Miss Jessup fort, die seine privaten Gedanken nicht mitverfolgen konnte, »ich hab das alles hinter mir gelassen, nachdem ich aus Sardinien zurückgekommen bin. Ich wäre gern geblieben, es ist einfach wunderbar dort. Überall trifft man auf Zeichen einer großartigen Geschichte und Kultur. Und erst das Essen …«
    Miss Jessup … Trudi … seufzte.
    »Aber nach dem arabisch-israelischen Vernichtungskrieg und als meine Reserven allmählich aufgebraucht waren, konnte ich dort nicht mehr bleiben. Die amerikanischen Behörden haben mir mein Rückfahrt-Ticket bezahlt, und im Gegenzug musste ich einen Vertrag unterschreiben, der mich fünf Jahre lang an sie bindet. Ich dachte, sie würden mich abkommandieren, um Gräben auszuheben

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