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Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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dieses heilige Exponat platzierte ich liebevoll Exponat Nummer 986. Eine verkratzte Spielzeug-Concorde. Für dieses Ausstellungsstück mußte ich mir keine Geschichte ausdenken. Ich hatte mit den Tränen des Kindes, als sich Flugzeug und Kind für immer voneinander trennten, genug gesehen.
    Wahrend ich mich konzentrierte, leckte ich mir über die Unterlippe, wie es schon sehr lange meine Angewohnheit war, wenn mich die Ausstellungsleidenschaft überkam. Und so kam es, daß meine Unterlippe nach einer Weile anschwoll.
    Ich verbrachte eine Stunde unter meinen Freunden, ging den schmalen Korridor auf und ab, vergewisserte mich, daß sie alle in Sicherheit waren, sprach mit ihnen, teilte mich ihnen mit. Schließlich kehrte ich mit Bedauern in die Welt darüber zurück. Als ich das Ende der Treppe erreichte, die in die Eingangshalle führte, hörte ich eine Stimme. Die Stimme, die zu dem bebrillten, verschwommenen Etwas gehörte, das ich bereits zuvor erwähnt habe. Das verschwommene Etwas stand jetzt in meinem Blickfeld. Die Summe sagte:
    Was ist da unten?
    Sie sagte: Was ist da unten?

II  BEGEGNUNGEN
Unsere erste Unterhaltung
    Was ist da unten?
    Ich sah in das blasse Gesicht der neuen Bewohnerin. Es war ein rundes Gesicht mit einem straffen Kinn, feinen, gut geformten Ohren und einer kleinen Nase, die ein wenig nach oben zeigte. Sie hatte zwei Sommersprossen, beide etwa so groß wie ein Stecknadelkopf, eine auf der linken Wange, die andere auf der Nasenspitze. Sie hatte sauberes, schwarzes Haar, das die Erlaubnis hatte, schulterlang zu wachsen und dichte, schwarze Augenbrauen. Ansonsten sprang einem auf den ersten Blick nichts weiter ins Auge, außer vielleicht noch die beiden Gegenstände, die sie im Gesicht trug. Der eine war eine Zigarette, der zweite eine runde Brille mit Metallgestell, deren starke Gläser die Augen dahinter vergrößerten. Die Augen und es war schwer, dies zu übersehen, waren grün und schienen extrem gereizt zu sein, irgendwie entzündet. Wenn man all diese Merkmale zusammen nahm (gleichwohl jedes für sich durchaus attraktiv gewesen sein mag), erhielt man ein leicht abstoßendes, wenig beneidenswertes Bild. Die neue Bewohnerin war nicht hübsch.
    Was ist da unten?
    Die neue Bewohnerin war ein wenig größer als 1,50 Meter, sie trug ein schlichtes, dunkelblaues Kleid und flache Schnürschuhe. Ihre Hände waren schmal und knochig. Auf der rechten Hand befand sich zwischen den Knöcheln von
    Zeigefinger und Daumen ein Leberfleck. Beide Hände waren häßlich, beide waren voller Schwielen.
    Was ist da unten?
    Nichts.
    Ist das der Keller?
    Was machen Sie hier?
    Tut mir leid. Ich heiße.
    Sagen Sie mir nicht, wie Sie heißen. Ich brauche Ihren Namen nicht.
    Wie heißen Sie denn?
    Meinen Namen brauchen Sie nicht. Ich werde es Ihnen nicht sagen.
    Wohnen Sie hier?
    Das tue ich. Verschwinden Sie.
    Gut. Lassen Sie mich erklären, ich bin neu hier. Ich wohne jetzt in Wohnung 18.
    Warum?
    Es ist mein Zuhause, ich habe es gekauft.
    Warum?
    Es hat mir gefallen.
    Warum?
    Ich wollte in diesem Teil der Stadt leben.
    Warum?
    Das geht nur mich etwas an.
    Wann gehen Sie wieder?
    Ich gehe nicht wieder.
    Ich will, daß Sie bis Ende der Woche weg sind.
    Doch statt einen Streit anzufangen oder in Tränen auszubrechen, lächelte die neue Bewohnerin, so als hätte sie plötzlich etwas gesehen oder verstanden, und sagte:
    Natürlich, Sie sind der mit den Handschuhen. Fassen Sie mich nicht an. Sie sind Francis, stimmt's?
    Der Pförtner hat Ihnen meinen Namen gesagt! Sie werden sich schon noch an mich gewöhnen, Francis. Bis später.
    Und da stand ich dann mit offenem Mund wie ein Vollidiot und starrte ihr nach, als sie das Observatorium verließ. Ich glaube nicht, daß sie mir überhaupt zugehört hat, ich glaube, daß sie nicht die geringste Absicht hatte zu gehen. Ich machte meinen Mund wieder zu und folgte ihr nach draußen.
    Die neue Bewohnerin war auf der anderen Seite des Kreisverkehrs und wurde gerade von dem Mann mit der Personenwaage gewogen. Sie sprach mit ihm, er sprach mit ihr. Die Worte hörte ich nicht, dafür war ich viel zu weit entfernt, wurde vom Verkehr zurückgehalten. Ich kam mir ein wenig verraten vor, wo der Mann mit der Waage und ich uns doch nun schon seit mehreren Jahren kannten. Am meisten ärgerte mich, daß er anscheinend seine Unterhaltung mit der neuen Bewohnerin genoß und noch lächelte, als sie längst weitergegangen war. Ich beeilte mich, ebenfalls schnell hinüberzukommen, und

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