Das verlorene Observatorium
Finger, die zuvor zu den weißen Handschuhen an seinen Händen gehört hatten, waren ihm über die Zehen gezogen worden. In meinem Schlafzimmer befanden sich drei leere Handschuh-Tagebuch-Schachteln. Auf meinem Schreibtisch lag ein einzelner Handschuh. Der Handschuh war mit einem Stift so hingelegt worden, daß es aussah, als hätte der Handschuh geschrieben. An der Spitze des Stiftes lag ein Blatt Papier. Auf das Blatt Papier war folgendes geschrieben worden:
BITTE UM RÜCKGABE:
1. Ein Mahagoni-Lineal, bekannt unter dem Namen Chiron.
2. Ein Paßphoto von Alec Magnitt mit handschriftlichen Liebeserklärungen auf der Rückseite.
3. Ein Hundehalsband mit einem Namensschild und der Aufschrift MAX.
4. Eine runde Brille mit Metallgestell und starken Gläsern.
VIELEN DANK.
Wir befanden uns mitten in der Zeit der Vier Gegenstände.
Spätabendliche Besucher
Ich hatte meine Handschuhe, so gut es ging, gerettet, manche befanden sich bereits wieder in den Handschuh-TagebuchSchachteln, andere trockneten im Bad. Ich war damit beschäftigt, die Finger wieder an den weißen Handschuh anzunähen, den mein Vater an seinen Händen und Zehen getragen hatte, als die Tür von Wohnung 6 geöffnet wurde. Es wurde nicht angeklopft, es gab kein Darf ich bitte hereinkommen. Die Wohnungstür war nicht abgeschlossen. Sie öffnete sich, und Menschen kamen in Wohnung 6, ohne daß auch nur einmal das Wort Bitte bemüht wurde. Und als wäre das noch nicht genug, kamen sie schnurstracks in mein Schlafzimmer. Noch nie zuvor war mein Zimmer derart bevölkert gewesen. Dort standen Higg, Bugg, Zwanzig und hinter ihnen der Pförtner, der Anna Taps Ellbogen hielt. Wie winzig Anna Taps Augen ohne Brille aussahen. Higg, bemerkte ich zu meiner Empörung, trug einige meiner weißen Handschuhe am Leib. Sie hatte sich einen BH angezogen, und diesen BH hatte sie mit Handschuhen ausgestopft, kompensierte also ihre winzigen Brüste mit meinen weißen Baumwollfreunden. Fingerspitzen lugten unter den Körbchen des BHs heraus. Meine Handschuhe befingerten Miss Higgs Brüste. Der Pförtner sprach zuerst.
Ich selbst habe eigentlich keinen Anlass zur Klage. Ich bin nur als Miss Taps Führer hier, sie kann nicht sehen.
Raus.
Sie wollen verschiedene Gegenstände zurück, von denen sie glauben, daß sie von Ihnen ausgeliehen wurden, Francis Orme.
Nein. Ihr habt meine Wohnung bereits durchsucht und nichts gefunden. Damit dürfte doch wohl offenkundig sein, daß ich sie nicht habe, daß ich völlig unschuldig bin und daß mir daher Unrecht getan wird.
Dann wollen Sie die Gegenstände also nicht zurückgeben?
Selbst wenn ich sie hätte, würde ich es nicht tun.
Sie haben sie nicht?
Wer hat meine Handschuhe weggenommen? Warum fragen Sie nicht danach? Ich werde Wochen brauchen, um mein Handschuh-Tagebuch wieder in Ordnung zu bringen. Und selbst dann wird es nie mehr vollständig sein. Das ist ein erheblich schwerwiegenderes Verbrechen. Wer war es? Wer?
Bugg kicherte. Higg kicherte. Der Pförtner zischte (es war ein kicherndes Zischen). Claire Higg fing an, etwas von Milchflaschen zu jammern, Zwanzig fing an zu bellen, Peter Bugg begann, sich an seinen Vater zu erinnern, und Anna Tap fing an, sich ihre blinden Augen zu reiben.
Sie werden es uns schon noch sagen, das werden Sie. Ja, das werden Sie.
Es war der Pförtner, der diese Worte sprach. Dann befahl er Bugg, der weinte und schwitzte und nach hundert Gerüchen roch, mich auf einem Stuhl festzuhalten, während er eine meiner weiß behandschuhten Hände am Handgelenk ergriff und die Handfläche nach oben drehte. Claire Higg zückte einen Füllfederhalter, den ich als Peter Buggs Füllfederhalter wiedererkannte, hielt die Federspitze einen Millimeter über die makellos weiße Baumwollfläche meiner gefangenen Hand und stieß dabei folgenden Einsilber aus:
Sprich.
Ich hätte in diesem Moment durchaus offen gesprochen, vielleicht sogar meine Ausstellung verraten, wäre nicht Zwanzig gewesen, die mich tatsächlich rettete, indem sie mir entsetzliche Schmerzen zufügte. Zwanzig ergänzte Higgs Sprich mit lautem Hundegeheul, welches Miss Higg derart erschreckte, dass ihre Hand zuckte und Tinte auf meine weiße Baumwollhand tropfen ließ. Welch ein Verlust! Welch ein Verlust! Erheblich schlimmer und größer als der Verlust von tausend und abertausend Linealen oder Brillen oder Paßphotos oder Hundehalsbändern. Ich empfand einen tieferen und größeren Schmerz, als jede Wunde mir hätte zufügen können: Auf
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