Das Verlorene Symbol
Menschenopfers.
Mal'akh wappnete sich für den wunderbaren Augenblick, an dem die Klinge in sein Fleisch eindringen würde.
Den Augenblick der letzten Transformation.
Es war unvorstellbar, doch er spürte nicht den geringsten Schmerz.
Stattdessen erfüllten donnernde Vibrationen seinen Leib, tief und ohrenbetäubend. Der gesamte Saal erbebte, und von oben schien ein strahlend weißes Licht herab. Die Himmel tosten.
Mal'akh wusste, dass es geschehen war.
Genau wie er es geplant hatte.
Langdon wusste nicht mehr, wie er zum Altar gekommen war, oder wann der Hubschrauber über ihnen allen erschien. Er erinnerte sich nicht mehr, wie er mit ausgestreckten Armen vorgesprungen war … auf den Mann in der schwarzen Robe zu … in dem verzweifelten Versuch, ihn wegzustoßen, ehe das Messer ein zweites Mal auf das Opfer herniederfahren konnte.
Ihre Leiber waren zusammengeprallt, und dann war gleißendes weißes Licht durch das Deckenfenster auf den Altar gefallen und hatte den Saal erhellt.
Langdon erwartete, den blutigen Leichnam Peter Solomons auf dem Altar zu sehen, doch die nackte Brust im grellen Licht war unversehrt … eine Landschaft voller Tätowierungen. Das Messer lag zerbrochen daneben. Offensichtlich hatte die schwarze Gestalt es gegen den Stein des Altars gerammt anstatt in das Fleisch des Opfers.
Langdon und der Mann in der Robe schlugen auf dem harten Boden auf. Im selben Moment sah Langdon den bandagierten Stummel am Ende des rechten Unterarms seines Gegners. Fassungslos erkannte er, dass er soeben Peter Solomon zu Boden gestoßen hatte.
Die beiden Männer rutschten über den glatten Stein, während der Suchscheinwerfer des Hubschraubers die Szenerie in grelles Licht tauchte. Der Black-Hawk schwebte so tief über dem Glasdach, dass er beinahe die Paneele berührte.
Auf der Unterseite des Helikopters rotierte eine merkwürdig aussehende Waffe und zielte durch die Scheibe in den Saal. Ein roter Laserpunkt tanzte über die Fliesen, bewegte sich auf Langdon und Solomon zu.
Nein!
Doch niemand eröffnete das Feuer. Nichts war zu hören außer dem tosenden Lärm der Rotorblätter.
Langdon spürte ein eigenartiges Aufwallen von Energie, die all seine Zellen zu erfassen schien. Der Laptop hinter ihm auf dem Stuhl zischte und fauchte. Langdon fuhr herum und sah gerade noch, wie der Bildschirm des kleinen tragbaren Computers schwarz wurde. Unglücklicherweise war die letzte Meldung deutlich zu erkennen gewesen.
NACHRICHT WIRD GESENDET: 100 % ABGESCHLOSSEN
Hoch, verdammt noch mal! Hoch mit der Kiste!
Der Pilot des Black-Hawk gab sämtlichen Schub auf die Rotoren, um nicht mit den Kufen das gläserne Kuppeldach zu berühren. Er wusste, dass die dreitausend Kilogramm Auftrieb, die der Luftstrom unter den Rotoren erzeugte, die Konstruktion bereits bis an die Grenzen belasteten. Unglücklicherweise sorgten die Schrägen der Pyramide dafür, dass fast der gesamte Auftrieb seitlich abgeleitet wurde.
Hoch! Schneller!
Der Pilot kippte die zyklische Blattverstellung und versuchte abzudrehen, doch die linke Kufe streifte das Glas in der Mitte des Dachs. Es war nur ein winziger Moment, doch er genügte.
Das große Deckenfenster des Tempelsaals explodierte in einem Wirbel aus Glas und Sturmwind und jagte einen Schauer gläserner Dolche in den darunter liegenden Raum.
Sterne, die vom Himmel fallen.
Mal'akh starrte hinauf in das wundervolle weiße Licht und bemerkte den Schleier aus glänzenden Juwelen, der herniederströmte, immer schneller, um ihn zu umfangen, als könnte er ihn nicht schnell genug in seine Pracht hüllen.
Dann plötzlich Schmerz.
Überall.
Brennender, verzehrender, schneidender Schmerz. Dolche, die sich in weiches Fleisch bohrten: Brust, Hals, Unterleib, Arme, Beine, Gesicht.
Mal'akh bäumte sich auf, zuckte, wand sich. Blut füllte seinen Mund. Er spie es aus, als er die Schmerzen hinausschrie, die ihn aus seiner Trance gerissen hatten. Das weiße Licht am Himmel veränderte sich. Dann, mit einem Mal, schwebte wie durch schwarze Magie ein Hubschrauber über der Öffnung, der mit seinen Rotorblättern eisige Luft in den Tempelsaal und auf Mal'akh hinunterschaufelte und die zarten Schleier aus Weihrauch zerriss.
Mal'akh drehte den Kopf. Neben sich, auf dem von Glasscherben übersäten Altar, sah er das zerbrochene Opfermesser liegen.
Trotz allem, was ich ihm angetan habe … trotz allem hat er es nicht gekonnt. Er hat sich bis zuletzt geweigert, mein Blut zu vergießen.
Entsetzen
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