Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
Vom Netzwerk:
Zeit zum Üben. Das soll für den Anfang genügen, später werden wir ihn so lange üben, bis alle die Willkommensworte in ihrem Körper und in ihrer Seele verinnerlicht haben. Wer weiß, wer noch alles auf unsere Insel kommt.“
    „Aber nicht alle sind freundlich – wenn die kommen, bei denen ich war, oder ähnliche mit strengeren Göttern, mit Menschenopfern, mit furchtbar viel Gewalt und kapus …“, wendet Alēi’na ängstlich ein.
    „Wir sind so wie wir sind. Wir empfangen alle mit offenen Armen und so wird es auch zu uns zurückkommen. Kapus , Verbote, gibt es bei uns auch.“
    „Aber du weißt einfach nicht, wie andere sein können! Die Frauen haben die meisten kapus . Sie dürfen fast nichts. Alles wird von den Königen bestimmt und von den obersten Priestern. Die bestimmen, was gut ist und was nicht. Sie ignorieren, was die Götter wollen. Sie sehen sie nicht so, wie ihr sie seht. Sie benutzen die Götter nur. Sie sagen, sie selbst seien die Götter und nehmen sich so viele Frauen, wie sie wollen, töten, wen sie wollen, alles als Opfer für die Götter! Es gibt ganze Landbereiche, die nur diesen Oberen gehören. Alle anderen können sich mit wenig und weniger gutem Land begnügen. Und dann müssen sie den Göttern auch noch von ihrem Essen abgeben, wo sie selbst nicht genug haben. Das ist doch nicht gerecht! Die Oberen essen es selbst, und was sie nicht essen, fressen Tiere, aber die Menschen kriegen es nicht und am allerwenigsten Frauen. Sie kennen keine Grenzen, keine wirklich heiligen kapus . Wenn sie hier wären, es würde nicht lange dauern und es gäbe keinen Vogel mit gelben und roten Federn mehr. Ihre gefräßigen Tiere würden sich über all die Vögel hermachen, die das Fliegen verlernt haben, weil sie hier keine Feinde haben. Die Pflanzen, so schnell könnten ihnen gar keine Dornen wachsen oder keine starken Düfte entstehen, so schnell hätten sie alles niedergetrampelt, abgefressen und aufgefressen. Ich habe Angst um dieses liebe Volk hier und die lieben Tiere und die lieben Pflanzen. Auch die von den Nachbarinseln seien so wie ihr, sagst du, aber ihr seid zu wenige. Ihr seid viel zu lieb! Oh, du glaubst nicht, wie schlecht die Menschen sein können!“ Alēi’na schluchzt herzzerreißend. Uhala’an schließt sie in ihre Arme und wiegt sie wie ein Neugeborenes. Dann richtet die junge Frau sich wieder auf und sagt:
    „Du glaubst es nicht, aber sie behandeln Menschen schlechter als Tiere! Wenn man für sie zu etwas Nütze ist und ihnen dient und nur, wenn man den Göttern opfert, bis man selbst nichts mehr hat, hat man eine Chance, am Leben zu bleiben. Was ist das für ein Leben? Warum tun die Götter denn nichts für diese armen Menschen? Sie sind doch so, wie sie es gern haben… Warum lassen sie es zu, dass solch böse Menschen Macht erlangen? Warum lassen sie es zu, dass sie sogar die Würde dieser armen Menschen wegnehmen?“
    „Die Götter sind so stark, wie wir sie kreieren. Lässt unser Glaube an sie nach, durch Unmut, durch Zweifel, vielleicht auch schon durch äußere Umstände, die uns keine Zeit mehr für die Götter oder nicht einmal für einen Gott lassen, da wir vielleicht unser Leben damit verbringen müssen, anderen zu dienen, damit wir und unsere Familien nicht verhungern, dann verlieren auch diese Götter ihre Kraft. Und sie gewinnen an Kraft durch die, die sie ehren, auf ihre Weise. Ich denke, zunächst wird es immer eine Zeit lang so laufen können, dass es Menschen gibt, die das auszunutzen wissen durch blendende Opfergaben“
    „Blendende Opfergaben!“ Alēi’nas Stimme überschlägt sich. „Es sind Menschenopfer! – Sie töten Menschen, werfen sie bei lebendigem Leibe ins Feuer oder bei lebendigem Leibe von den Klippen ins Meer! Was sind denn das für Götter, die da einfach zusehen und sich blenden lassen?“
    Sie ist außer sich. Ihr ganzer Körper bebt.
    „Es sind nicht die Götter, die solches anordnen! Es sind die Menschen, die meinen, die Götter zu sein, die Menschen, die sich Götter erschaffen, die solche Grausamkeiten zulassen. Es muss unerträglich sein, das gesehen zu haben. Ich kann deine Fragen und deine Zweifel mehr als verstehen, glaube mir. Auch ich hatte Zeiten, wo ich Zweifel zuließ, weil ich durch meine Trauer und meine Wut den Plan der Götter nicht verstand. Doch wenn wir dem nachgeben, wird das Übel daraus immer größer, so, wie es bei manch anderen Völkern schon zu sein scheint.
    Ich habe erkannt, dass es gerade dann umso

Weitere Kostenlose Bücher