Das Vermaechtnis
blutroten Flüssigkeit, den er seit dem Morgen in den Händen hielt. Nun stand die Sonne schon tief am Himmel, und das Licht fiel schräg zu den Fenstern herein, sodass es aussah, als säße er in der Finsternis, brauchte aber nur die Hände auszustrecken, um den hellen Glanz des Himmels zu berühren.
Er bemerkte nicht, dass sich die Tür öffnete und ein Mann eintrat. Erst als sich Cathal Stuart leise neben ihn in die Bank gleiten ließ, sah Alasdair auf.
„ Mo charaid “, grüßte Cathal ihn, ohne den Blick von der einzelnen Kerze auf dem Altar zu nehmen.
„Cathal, was …?“
„Ich sah seit Tagen das Licht im Fenster – ich wollte dich nicht stören, aber heute fühlte es sich für mich an, als müsste ich herkommen.“
Alasdair nickte.
„Es ist deine Kapelle, Cathal, du kannst herkommen, wann immer du willst.“
Schweigend saßen die beiden Männer nebeneinander. Männer, die einst Seite an Seite gekämpft hatten – und sich nun nichts mehr zu sagen hatten. Männer, die nur eines verband – ihre Zuneigung zu Nathaira.
Cathal, Nathairas Bruder, würde nie darüber hinwegkommen, was er im letzten Jahr erfahren hatte. Er war nur noch ein Schatten des Mannes, der er einst gewesen war, und Alasdair verachtete ihn dafür. Für ihn hatte Nathaira seine Liebe geopfert. Nun, da er dank Samantha einen Tag voll Glück mit der Frau seines Herzens hatte erleben dürfen, erschien ihm ihr Opfer noch größer als zuvor.
„Du hast sie geliebt, aye?“, fragte Cathal schließlich, und Alasdair lächelte.
„Ich tue es noch immer.“
Cathal nickte, als hätte er es gewusst.
„Ich liebe sie auch, aber ich kann einfach nicht verstehen …“
Alasdair sah den Mann an, dem er so viele Jahre gefolgt war. Er war ein Häuflein Elend. Cathal konnte anscheinend nicht verkraften, was Nathaira getan hatte – und warum. Alasdair schüttelte verständnislos den Kopf über dieses bemitleidenswerte Verhalten. Sah Cathal nicht, dass Nathaira ihr ganzes Leben um die Liebe des Bruders gekämpft hatte?
Cathals Stimme riss ihn aus seinen düsteren Gedanken.
„Warum seid ihr nicht fortgegangen? Ich habe immer erwartet, ein Krieger wie du kämpft um sein Glück und schert sich nicht um andere?“
Der Hüne sah Cathal lange an, ehe er antwortete.
„Ich hatte es überlegt, Cathal. Hätte es vielleicht auch getan, aber das hätte bedeutet, mich gegen dich zu stellen, dich vielleicht zu töten. Ich habe dir einen Eid geleistet. Ich schwor bei meinem Blute, nie die Waffe gegen dich zu erheben und keinen Verrat in dein Haus zu bringen. Außerdem hätte Nathaira nie zugelassen, dass wir dich hintergehen.“
Alasdair schwenkte den Kelch mit der dunklen Flüssigkeit. Ja, wäre es nach ihm gegangen, er hätte Cathal getötet, weil er ihm Nathaira genommen hatte. Bitter stieg ihm der Geruch in die Nase, und Cathal roch es ebenfalls.
„Ist es zu spät, dich von deinem Eid zu befreien, mo charaid ?“
Alasdair schloss die Augen.
„Lass mich nicht allein, Alasdair“, flehte Nathaira, und ihr schwarzes Haar fiel wie ein Vorhang über ihre Gesichter, sperrte die Welt aus. Er lag auf dem Rücken, und sie saß rittlings auf ihm. Die Sonne blitzte durch den Haarvorhang und ließ ihre Augen funkeln wie Smaragde.
„Ich bin, wo ich immer sein wollte, Liebste. Wo sollte ich also hin?“
„Nicht jetzt. Ich meine später.“ Sie wollte sich aufsetzen, aber Alasdair hielt sie fest. Er wollte nicht, dass sich die Welt wieder zwischen sie schob. So nah wie jetzt wollte er ihr für immer sein.
„Wann später?“, fragte er und küsste sie.
„Das Cameronmädchen sagt, ich sterbe. Ich glaube ihr, Liebster – und ich habe Angst. Ich bin schon einmal fast gestorben, und was ich fühlte … ich war so allein!“
Er küsste ihr den Schmerz der Erinnerung fort und trank ihre Tränen. Seine Hände strichen über ihren Rücken, und der langsame Rhythmus, mit dem er sie liebte, tröstete sie.
„Tue ich nicht immer, was dich glücklich macht?“, fragte er gegen ihre Lippen und atmete ihren Atem. „Wir haben diesen Tag des Glücks, weil ich noch in vielen Jahren an uns glauben werde. Ich werde also immer tun, was du dir wünschst, mein Herz.“
Sie biss ihn in die Lippe, schmeckte sein Blut – genug für einen Eid.
„Lass mich nicht allein, Alasdair“, wiederholte sie ihre Bitte. „Nicht allein in der Dunkelheit.“
Sie stöhnte und ließ ihre Stirn gegen seine sinken, noch immer von der Flut ihrer Haare verborgen.
„Ich schwöre dir,
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