Das Vermächtnis der Feuerelfen
fortzusetzen. Die Elfe wählte einen durch hohe Felsen vor dem Wind geschützten Platz nahe dem Waldrand, wo sie ein Feuer entfachten und ihr Lager aufschlugen.
Das kleine Schiff, das sie in die Bucht getragen hatte, war fort. Nur wenige Augenblicke nachdem sie an Land gegangen waren, hatte der Wind gedreht und aufgefrischt und es wieder auf die offene See hinausgetrieben. Allein die Möwen, die sie schon während ihrer Reise begleitet hatten, waren an Bord geblieben, als das Segel sich spannte und das Boot die Bucht verließ.
Als die Sonne hinter dem Horizont versank, überflutete das Silberlicht von Mond und Sternen den verlassenen Strand und ließ den Schnee wie Abermillionen winziger Edelsteine funkeln.
Caiwen, Heylon und Finearfin saßen, in ihre Decke gehüllt, am Feuer und verzehrten eine kalte Mahlzeit aus Dörrfleisch, Brot und hartem Ziegenkäse, die sie mit heißem Wein hinunterspülten, um den Frost aus ihren Gliedern zu vertreiben. Während Caiwen und Heylon dem Wald den Rücken zukehrten und auf den nächtlichen Ozean hinausblickten, ließ Finearfin die Schatten unter den Bäumen nicht aus den Augen. Caiwen spürte die Anspannung der Kriegerin und fragte sich, mit welchen Gefahren
sie an diesem einsamen Ort wohl rechnen mochte. Sie selbst wagte nicht, sich umzusehen. Je mehr der Wald mit der Dunkelheit verschmolz, desto unbehaglicher fühlte sie sich. Die schneebedeckten Bäume und Sträucher, die sie im Sonnenlicht so fasziniert hatten, wirkten in der Nacht bedrohlich, und so klammerte sie sich an den einzigen Anblick in dieser fremden Welt, der ihr vertraut war - das Meer.
Auch nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatte, starrte sie weiter schweigend auf das endlose Wasser hinaus, wo irgendwo hinter dem Horizont ihre Heimat lag. Insgeheim war sie Finearfin dankbar, dass sie die Nacht in der Nähe des Ozeans verbringen durfte. Das Geräusch der Wellen, die sich irgendwo weit draußen in stetem Plätschern an der Eisbarriere brachen, erinnerte sie an zu Hause, und die sanfte salzige Brise vermittelte ihr ein trügerisches Gefühl von Geborgenheit. Wolken zogen auf und löschten mit dem Licht der Sterne auch die Konturen der Küstenlinie und den Horizont aus. Was blieb, war ein Gewirr von fremdartigen Lauten, die Caiwen kaum unterscheiden konnte. Immer wieder drangen ihr Rufe und Schreie unheimlich an die Ohren. Sie ängstigten sie mehr, als sie sich eingestehen wollte. Sie versuchte, tapfer zu sein, aber es gelang ihr nicht, ihre Furcht völlig zu unterdrücken.
»Ihr solltet schlafen.« Finearfin erhob sich und legte noch etwas trockenes Holz auf die Glut. »Ich halte Wache. Es war ein harter Tag und morgen wird es nicht leichter.«
»Ich bin nicht müde.« Heylon sprach aus, was Caiwen dachte, und fügte hinzu: »Ich kann die erste Wache übernehmen.«
»Dein Angebot ehrt dich.« Finearfin lächelte und nahm ihren Bogen zur Hand. »Aber du weißt noch zu wenig über dieses Land, um die Gefahren zu erkennen. Leg dich hin und ruh dich aus. Wir haben noch einen langen Fußmarsch vor uns.« Damit erhob sie sich und erklomm einen der Felsen, von dem aus sie in alle Richtungen eine gute Sicht hatte.
»Na schön, dann eben nicht.« Heylon zog die Schultern in die Höhe, seufzte und breitete seine Decke nahe dem Feuer aus. »Du solltest dich auch hinlegen«, wandte er sich an Caiwen, die noch immer gedankenverloren in die Nacht hinausstarrte.
»Glaubst du, dass es richtig war, das Riff zu verlassen?« Caiwen drehte sich um und schaute ihn an.
»Was sollte falsch daran sein, zu tun, was man für richtig hält?«, erwiderte Heylon. »Durins Absichten mögen wenig ehrenhaft gewesen sein, aber in einem hatte er recht. Deine Abstammung wäre auf dem Riff nicht mehr lange unbemerkt geblieben. Das Schicksal hat den Zeitpunkt bestimmt, da du gehen musstest. Auch wenn du es anders empfunden hast. Ich denke, du hattest nie wirklich eine Wahl.«
»Ich wollte herausfinden, ob wir gefahrlos nach Tamoyen zurückkehren können«, sagte Caiwen scheinbar zusammenhangslos. »Ich wollte unseren Leuten helfen, das entbehrungsreiche Leben endlich zu beenden.« Sie seufzte und ihre Kehle wurde eng. »Und nun? Nun ist alles ganz anders. Wie es aussieht, ruht auf meinen Schultern weit mehr als nur die selbst gewählte Aufgabe, einer kleinen Gruppe von Menschen zu helfen. Ein ganzes Volk erwartet, dass ich ihm beistehe, und wer weiß, was sonst noch alles auf mich zukommt. Ich fürchte, ich werde mein Ziel niemals
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