Das Vermächtnis der Feuerelfen
Leere. Warmes Blut, das nicht sein eigenes war, rann über Durins Körper und färbte seine Kleidung violett. Mit einem Fluch kam er wieder auf die Beine, um Saphrax zu Hilfe zu eilen, der sich in Gestalt einer großen schwarzen Nachtkatze schützend vor Caiwen gestellt hatte und sich mit gezielten Bissen und Hieben einer Gruppe von Nachtmahren erwehren musste.
Mit dem Schwert in der Hand stürzte Durin hinterrücks auf die schwarzen Bestien zu und durchtrennte zweien das Genick, noch ehe sie sich der Gefahr überhaupt bewusst wurden.
Der Moment der Überraschung währte jedoch nicht lange. Die Nachtmahre wirbelten herum und fielen mit einer solchen Wut über ihn her, dass ihm kaum Zeit blieb, sich zu verteidigen.
Durin kämpfte verbissen, während seine Arme immer schwerer wurden und seine Bewegungen an Kraft verloren. Schrammen und Bisswunden verunstalteten seinen Körper, die Kleider hingen ihm in Fetzen am Leib, aber er fühlte keinen Schmerz. Als er kurz zu Saphrax hinüberschaute, sah er dessen schwarzes Fell blutig schimmern, ein sicheres Zeichen dafür, dass auch die Kräfte des Wechselwesens nicht unerschöpflich waren.
Es ist vorbei. Der Gedanke blitzte seltsam nüchtern hinter Durins Stirn auf, während seine Hände und Füße sich in tausendfach geübten Bewegungen wie von selbst bewegten. Er spürte keine Angst und kein Bedauern: Er war ein Krieger und hatte länger gelebt als so mancher andere, der ihm im Lauf der Winter begegnet war. Krieger starben. Früher oder später erwischte es jeden. Er hatte es gewusst, auch wenn er es sich versagt hatte, darüber nachzudenken.
Neben sich hörte er Saphrax triumphierend brüllen, nachdem er einem Nachtmahr mit einem einzigen Biss das Genick gebrochen hatte. Ein Angreifer weniger, dachte Durin grimmig. Aber noch immer waren die Mahre erschreckend zahlreich. Am Ende würden sie den Sieg davontragen.
Es war aussichtslos …
Etwas zischte knapp über Durins Kopf hinweg und bohrte sich tief in die Brust eines Nachtmahrs, der zum Sprung angesetzt hatte. Das Biest heulte auf, drehte sich einmal um sich selbst, zuckte unkontrolliert und erschlaffte. Dem ersten Pfeil folgten weitere, bis ein wahrer Pfeilhagel die Angreifer zurückdrängte.
Es grenzte an ein Wunder, dass Durin nicht getroffen wurde, während sich die Nachtmahre geifernd und knurrend dem neuen Feind zuwandten, der aus den Schatten der Bäume aufgetaucht war - eine Gruppe Reiter in blau-roten Umhängen,
die mit Schwertern und Äxten unbarmherzig auf die Anderweltwesen eindrangen. Nur wenige Herzschläge nachdem der erste Pfeil sein Opfer gefunden hatte, stand Durin blutend, erschöpft und allein inmitten einer knappen Handvoll toter Nachtmahre und starrte auf das blutige Gemetzel am Waldrand. Die Luft war erfüllt vom Knurren, Kreischen und Fauchen der Nachtmahre, Pferde wieherten schrill und immer wieder gellten die Schmerzens- und Todesschreie der Krieger durch die Nacht.
»Was … was war das?« Caiwen flüsterte fast. Die Knie dicht an den Körper gezogen, kauerte sie mit dem Rücken an dem Baumstamm, an den Durin sie gebunden hatte.
»Nachtmahre!« Durins Stimme klang rau. »Anderweltgeschöpfe, die in Tamoyen des Nachts auf die Jagd gehen.« Er stöhnte gequält auf, weil seine Wunden allmählich zu schmerzen begannen. »Bei den Göttern, ich dachte, wir sind erledigt.«
»Wer sind die Männer?«, wollte Caiwen wissen. Noch immer sprach sie so leise, dass ihre Stimme über dem Kampflärm kaum zu hören war.
»Keine Ahnung.« Durin zog die Schultern hoch und stöhnte gequält. »Sie haben uns das Leben gerettet. Das ist das Einzige, was zählt.«
»Werden sie die Mahre töten?«, fragte Caiwen mit bangem Blick.
»Von den Bestien sind nicht mehr viele übrig. Ich bin sicher, das schaffen sie. Die letzten werden vermutlich die Flucht ergreifen. Ohne ihr Rudel sind sie feige wie räudige Hunde.« Durin ächzte und ließ sich neben Caiwen zu Boden sinken. »Sie können froh sein, dass Saphrax und ich ihnen schon ein ganzes Stück Arbeit abgenommen haben.« Er stutzte, schaute sich suchend um und fragte: »Verflucht, wo ist Saphrax überhaupt?«
»Er ist fortgelaufen, als die Reiter kamen.« Caiwen fiel das Sprechen immer noch schwer. Sie zitterte am ganzen Körper. Ihr
Herz raste und ihr Atem ging stoßweise. Bis zu dem Augenblick, da sie den grauenhaften Geschöpfen hautnah gegenüberstanden, hatte sie geglaubt, nichts könne schlimmer sein als das Leid und die Todesfurcht der
Weitere Kostenlose Bücher