Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
Elaines Hand in die meine legte, werde ich niemals vergessen. Dieses Gefühl absoluter Gewissheit, die tief sitzende, unerschütterliche Sicherheit, dass dies das Richtige war, dass Elaine die Richtige war, egal was noch passieren würde. Der ganze Abend erscheint mir wie ein Traum und gleichzeitig wirklicher als vieles andere in meinem Leben. Ich war glückselig, berauscht und das hatte nichts mit dem ausgezeichneten Wein des südlichen Aquaniens zu tun, der reichlich floss. Und die ganze Zeit über starrte ich Elaine an meiner Seite an, ohne völlig begreifen zu können, dass sie von diesem Tag an immer da sein würde, dass wir den Rest unseres Lebens zusammen verbringen würden.
Meine Umgebung ignorierte ich vollkommen. Die Glückwünsche, die weinselige, ausgelassene Stimmung, all das bemerkte ich nur am Rand und es interessierte mich auch nicht. Irgendwo in der Tiefe meines Bewusstseins flüsterte eine kleine, gehässige Stimme, dass diese Nacht nicht mehr war als ein schöner Traum und dass das Erwachen umso härter war, je mehr ich mich in meine Illusion hineinsteigerte. Aber auch diese Stimme der Vernunft missachtete ich entschlossen. Erst kurz vor Mitternacht erinnerte ich mich wieder daran, dass es der Tag der Wintersonnenwende war und dass in wenigen kurzen Augenblicken das Jahr 400 enden würde.
Für Arthenius zog sich der Abend in die Länge. Felicius hatte es anscheinend aufgegeben, sich mit seinem Bruder unterhalten zu wollen. Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, dann stand er auf, ließ den Blick seiner verträumten blauen Augen über die Menge schweifen, lächelte Arthenius noch einmal fröhlich zu und verschwand zwischen den müßig herumstehenden Menschen. Aber Arthenius blieb in seiner Ecke sitzen. Er konnte die plötzlich aufflammende Fröhlichkeit der Menschen nicht teilen und in seiner Nähe war niemand mehr nüchtern genug, um auch nur einen einzigen zusammenhängenden Satz hervorzubringen. Einige Zeit saß er da und hing seinen Gedanken nach. Dann stand plötzlich Philipe vor ihm. Mit einem bitteren Lachen und ohne ein Wort der Erklärung setzte er sich und angelte nach einem vollen Glas. Dann schien er sich an Arthenius’ Anwesenheit zu erinnern.
„Wenn du wüsstest“, bemerkte er voll erbitterter Belustigung und stürzte den Inhalt seines Glases in einem Zug hinunter, „genieße jeden Moment der Unwissenheit. Du weißt ja nicht, welch ein großes Geschenk sie sein kann.“
Er blickte in seinen Kelch und kam zu dem Schluss, dass er tatsächlich leer war. Einem vorbeieilenden Küchenjungen hielt er seinen Becher entgegen und beobachtete mit zusammengezogenen Augenbrauen, wie er bis zum Rand gefüllt wurde. Dann wurde er sich wieder bewusst, dass Arthenius ihn fassungslos anstarrte.
„Weißt du, was schlimmer ist, als alles Mögliche vorherzusehen?“, Arthenius holte Luft für eine Antwort, aber Philipe sprach bereits weiter: „Das Schlimmste ist, das Unvermeidliche zu erkennen. Hörst du? Weißt du, was unvermeidlich ist?“
„Philipe …“
„Ja?“, er nippte an seinem beinahe überlaufenden Becher, verzog angeekelt das Gesicht: „Wie kann Julien diesen Fusel nur trinken?“ Seine Verachtung für den anorianischen Wein hielt ihn allerdings nicht davon ab, sein Glas erneut zu leeren. „Oh, keine Sorge, ich weiß, dass du es nicht hören willst. Es würde dir ja doch nicht helfen, Larenias und dein Leben zu retten“, er sah sich um, konnte aber niemanden entdecken, der sein Glas füllen könnte. So griff er nach dem Becher eines Soldaten, der bereits schlafend zusammengesunken war.
„Bist du sicher, dass du das jetzt noch brauchst?“, bemerkte Arthenius vorsichtig. „Es ist kaum die richtige Zeit, sich zu betrinken.“
„Wenn nicht jetzt, wann dann?“, in trunkener Ernsthaftigkeit sah Philipe ihn an. „Glaub mir, eine andere Gelegenheit wird es nicht mehr geben.“
Schwankend stand er auf und torkelte, sein Weinglas umklammernd, quer durch die Halle zu einem offensichtlich noch gut gefüllten Krug. Als Arthenius ihn das nächste Mal sah, hatte er den Kopf auf die Arme gelegt und schlief tief und fest.
Allerdings konnte Arthenius ihr Gespräch nicht so schnell vergessen. Er wusste, dass Philipe, vom Alkohol benebelt, sich am nächsten Tag wahrscheinlich nicht an ein einziges Wort erinnern würde. Und dennoch fragte sich Arthenius, wie viel von all dem der Wahrheit entsprach. Was war es, das ihm nicht helfen könnte, sein und Larenias Leben zu
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