Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
sein. Er trug unter seinem Mantel eine Rüstung, aber keine Waffen. Der zweite war ein Druide.
Es war Julius’ erste Begegnung mit Brochoniern außerhalb des Schlachtfeldes. Erstaunt starrte er sie an. Nach allem, was er gehört hatte, hatte er sich Monster vorgestellt, Kreaturen, die man nicht mehr als Menschen bezeichnen konnte. Aber jetzt entdeckte er Ähnlichkeiten mit seinem eigenen Clan. Das dunkle Haar, die eisblauen Augen … und das von Grausamkeit und Hass verzerrte Gesicht. Es war, als würde man in einen Spiegel blicken und gleichzeitig in die Abgründe seiner eigenen Seele.
Der Druide musterte sie der Reihe nach, bevor er seinen Blick auf Larenia fixierte. Dabei sprach er kein Wort. Schließlich trat der jüngere Brochonier vor: „So habt ihr es also tatsächlich geschafft, die Kandari aus ihrem Versteck zu locken“, verächtlich starrte er auf Larenia herab, „nur wird es euch nichts nützen. Die Kandari pflegen ihre Freunde zu benutzen, solange sie ihnen dienlich sind. Dann vergessen sie ihre treuen Verbündeten.“ Aus seinen Worten sprach der blanke Hass. Hätte er jetzt ein Schwert oder irgendeine andere Art von Waffe gehabt, er hätte sich auf die Elfen gestürzt. Aber Larenia zeigte sich wenig beeindruckt.
„Brochius“, sie trat auf den jüngeren der beiden Brochonier zu, „glaubt ihr, es wäre so einfach? Denkt ihr wirklich, ein paar Worte würden genügen, unser Bündnis zu zerstören?“
Der Mann wich ein paar Schritte zurück, bevor er sich wieder fasste und seine Stellung behauptete: „Woher kennst du meinen Namen?“
„Ich weiß vieles, das anderen verborgen bleibt.“
Auch der Druide trat jetzt näher. Er schien alle anderen vergessen zu haben. Forschend sah er die Gildeherrin an: „Wer bist du?“, seine Stimme klang leise und gefährlich. Julius fröstelte, doch Larenia lächelte nur auf ihre eigene, eiskalte Art.
„Wisst ihr es nicht? Ich bin Larenia.“
Weder die Gildemitglieder noch die beiden Anorianer begriffen, was sie sich von dieser Antwort erhoffte. Doch ihre Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Beide Brochonier rissen erstaunt die Augen auf, aber der Druide gewann seine Fassung sofort zurück. Tatsächlich schien er jetzt, da er seinen Feind kannte, an Sicherheit zu gewinnen.
„Du bist also Larenia von Hamada, die Tochter des Königs der Kandari. Das mächtigste Wesen, lebendig oder tot, das diese Welt je gesehen hat. Das behauptet man zumindest.“
„Es ist die Wahrheit.“
Lange starrten sich diese so ungleichen Wesen an. Unerträgliche Spannung füllte die Luft. In diesem Moment erschienen sie Julius wie Licht und Schatten. Und gleichzeitig waren sie sich sehr ähnlich. Die gleiche Macht, die gleiche Kälte. Schließlich war es der Druide, der zuerst den Blick abwandte: „Es heißt, du wärest tot.“
„Man sollte nicht alles glauben.“
„Und Anoria steht unter deinem Schutz. Das erklärt natürlich einiges“, kurz und verächtlich sah er Julien an, „aber ich warne dich. Es mag Dinge geben, denen selbst du nicht gewachsen bist. Kenne ich euch nicht zu gut? Ihr gebt Versprechen, die ihr nicht halten könnt. Ihr sprecht davon, Gutes zu tun, doch wenn es darauf ankommt, tut ihr gar nichts. Seht euch eure Verbündeten an. Eure Freunde “, er betonte dieses Wort so, dass es einer Beleidigung gleichkam. Dabei sah er Julien an, „wie viel habt ihr geopfert, weil eure Verbündeten gezögert haben, einzugreifen?“
Für einen winzigen Augenblick schwankte Julien in seiner Entscheidung, das sahen sie alle deutlich. Aber dann hob er den Blick und jede Spur von Zweifel war aus seinem Gesicht verschwunden: „Sie haben vielleicht einen Fehler gemacht. Doch Fehler kann ich verzeihen. Aber niemals werde ich jenen vergeben, die uns ohne jede Notwendigkeit, nur aus Hass und Rachgelüsten heraus, angegriffen haben. Denjenigen“, in seinem Gesicht widerspiegelten sich Schmerz und Trauer, „die Cameon auf so grausame Weise ermordet haben.“
Die Zeit der Zweifel war vorbei. Jetzt kannte jeder seinen Gegner. Es würde keine Drohungen mehr geben, keine Unentschlossenheit und keine Reue. Und auch keine Gnade mehr. Wer in diesem Krieg Erbarmen zeigte, würde zwangsläufig unterliegen.
Die Brochonier gingen und deutliche Erleichterung durchflutete den Raum. Julien sackte in sich zusammen, als hätte ihn diese Begegnung alle Kraft gekostet. Auch Julius wagte ein vorsichtiges Aufatmen. Dann wandte er sich an Larenia: „Warum hast du uns früher nie erzählt,
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